Rolltreppe fahren.
Als Kind habe ich das geliebt.
Vorsichtig den ersten Schritt auf die erste Stufe, ein wenig ausbalancieren und los.
In meiner Erinnerung ging das auf direktem Wege und man musste nicht wie heute durch eine ganze Abteilung ans gegenüberliegende Ende laufen. Einfach hoch.
Rolltreppe fahren.
So könnte man sich als Kind auch Christi Himmelfahrt vorstellen.
Jesus fährt auf in den Himmel.
Wie soll das gehen? Mit einem E-Bike erstmal zum höchsten Berg? Dann in einen Zeppelin? Oder wird eine Leiter an die Wolken gestellt oder er schnallt sich Flügel an?
Schon in der christlichen Kunst wurde sich darüber, wie das aussehen könnte, der Kopf zerbrochen.
Rolltreppe gen Himmel fahren klingt da viel einfacher.
Vorsichtig den ersten Schritt auf die erste Stufe und alles andere geht automatisch.
„Und er fuhr auf gen Himmel“ (Lk 24,51)
Christi Himmelfahrt gibt uns Menschen aber nicht nur zu verstehen, dass Jesus Christus gen Himmel auf fährt, sondern dass er weiter lebt, dass er da ist.
Im Himmel, in einer anderen Gestalt, ist er weiter für uns da:
als Antrieb, den ich nach dem Mittagstief brauche,
als Kraft, wenn es mal nicht so einfach läuft,
als Tröster, der ein Lächeln auf mein Gesicht zaubert.
Lebendigkeit schenkt er!
Selbst als Erwachsene fahre ich noch gerne Rolltreppe.
Es erinnert mich an früher.
Vielleicht fährt Jesus ja auch mit.
Mit einem schelmigen Grinsen im Gesicht.
Hoch in die Süßigkeitenabteilung
oder die Abteilung mit den schönsten Sommerkleidern,
wo er mir sagt, dass mir das bunte Kleid steht.
Oder in die Gartenabteilung, wo er mir empfiehlt,
eine Bank zum Ausruhen zu kaufen.
Hoch und runter, egal wohin.
Hauptsache an meiner Seite.
Rolltreppe fahrend.
So grüßt Euch Eure Pfarrerin zu Christi Himmelfahrt.
Anfang der 50er Jahre schrieb der amerikanische Komponist John Cage ein Stück mit dem Titel „4.33“. An einem Abend im August 1952 wurde es uraufgeführt.
Der Pianist David Tudor betrat die Bühne und setzte sich mit großer Geste an den Steinway-Flügel. Er warf seinen Frack schwungvoll nach hinten, ordnete die Noten am Notenpult und öffnete den Deckel über den Tasten.
Die Sätze des Stücks waren alle mit „Tacet“ also „Pause“ überschrieben. Das bedeutet, das Stück „4.33“ hat überhaupt keine Noten und der Pianist schloss, statt die Tasten zu berühren, bedeutungsvoll wieder den Deckel.
Doch es folgte Musik! Sie kam nur nicht aus dem Flügel, sondern aus dem Publikum.
Zuerst hustete einer, eine andere räusperte sich noch einmal. Manche rutschten auf den Stühlen herum und schließlich wurden welche laut, sogar wütend und schrien. Andere verließen Türen knallend den Konzertsaal. Das Ganze dauerte „4.33“ – 4 Minuten und 33 Sekunden.
Für viele Konzertbesucher war die Stille und das Warten unerträglich. Für andere waren die tonlosen 273 Sekunden ein Sprungbrett zum Besonderen im Hier und Jetzt.
Natürlich ist es eine Provokation, ein Spiel mit unseren Erwartungen und der Wunsch Klavierklänge zu hören, wird definitiv nicht erfüllt. Doch wenn man sich einlässt, schenkt einem diesen Stück genau 4.33 Minuten darüber nachzudenken. Was stelle ich mir vor? Wie stelle ich mir mein Leben vor?
Je hektischer es um uns herum wird, desto mehr wünschen wir uns Ruhe. Je lauter es wird, umso mehr Stille. Wenn ich alleine bin, wünsche ich mir jemanden an meiner Seite. Wenn es zu trubelig wird, eine Auszeit nur für mich alleine. Wenn es im Winter regnet, lieber Schnee und wenn es zu warm ist, einen frischen Windhauch. Es scheint nicht selten so, als würden viele von uns immer genau das wollen oder brauchen, was es gerade nicht gibt oder was nicht ist.
Umso mehr die Menschen damals darüber nachdachten, umso empfänglicher wurden sie für das rigorose Verweigerungswerk von John Cage. „4.33“ wird immer noch aufgeführt und ich möchte heute einladen, das Stück auch einmal zu „genießen“.
4 Minuten und 33 Sekunden dem Leben zuschauen und der Musik des Ortes zuhören, an dem wir gerade sind. Und dann begreifen: Um uns herum geschieht genauso viel Sonderbares wie Wunderbares! Es ist nur die Frage wie wir damit umgehen.
Mache dich auf und leuchte! Denn ein Licht ist über dir aufgegangen:
Der herrliche Glanz des Herrn erstrahlt über dir.
Schau dich um und sieh, was um dich herum geschieht. (Jesaja 60,2+4)
Es grüßt Euch Eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
Am letzten Tag des Jahres, da ist immer Zeit, auf das Vergangene zurückzuschauen, Bilanz zu ziehen. Manchmal macht uns das traurig, manchmal auch sehr dankbar. Ein ganz spezielles Jahr liegt hinter uns, das unterschiedlicher nicht sein konnte.
Und der Herr zog vor ihnen her,
am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen,
und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten. (Exodus 13,20f)
Der Weg, der hinter uns liegt, war bedrückend. Nicht zu wissen, wo es hingeht, ist mühsam.
Im Weg der Israeliten durch die Wüste, den wir am letzten Tag des Jahres hören, können wir auch unsere Ungewissheit wiederfinden.
Am ersten Tag des Jahres, da ist immer Zeit, nach vorne zu blicken, mit schwerem oder leichtem Gepäck. Manchmal voller Angst, manchmal aber auch mit viel Zuversicht. Ein ganz spezielles Jahr liegt vor uns, das wahrscheinlich unterschiedlicher nicht sein kann.
Wohin mag uns der Weg der vor uns liegenden 365 Tage führen? Persönlich, beruflich, im Blick auf die Welt? Wird die Pandemie abklingen? Wird wieder mehr Leichtigkeit einziehen, in das Zusammenleben, in unsere Begegnungen? Werden wir in den Gottesdiensten wieder unbeschwert singen, Feste miteinander feiern, uns wieder umarmen?
Den Israeliten erweist sich die karge Zeit der Wanderschaft, die Wüstenzeit, als wichtig:
Sie erhalten die Zehn Gebote und Gott schließt seinen Bund mit ihnen. Ihr Weg war also nicht nur Anstrengung und Ausdauer. Er half ihnen auch, offen zu sein für die verheißene Zukunft.
Vielleicht ist die Wanderschaft ein gutes Symbol zum Jahreswechsel.
Wenn wir erleben, dass unser Leben längst nicht so festgefügt ist, wie wir bis vor kurzem noch dachten, ist es gut zu wissen, dass Gott auf unbekannten Wegen gegenwärtig ist, in unserem Leben, in schweren und leichten Zeiten, in unserem Zusammenleben und in unserer Welt. Sein Sohn ermutigt uns und lädt uns ein, uns auf den Weg zu machen. Er spricht uns für das neue Jahr zu:
Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. (Joh 6,37)
Machen wir den ersten Schritt vom Gestern ins Heute, vom einen Jahr in das andere. Tastend, zuversichtlich, neugierig. Mit Gott an unserer Seite. Mit dem Wissen, nicht abgewiesen zu werden. Es wird immer jemanden an unserer Seite sein!
Gottes Kraft, viele Wegbegleiter und einen offenen Blick wünscht Euch auch im Jahr 2022 Eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
Was schenken wir?
Nicht Gold, Weihrauch und Myrrhe, wie die drei Weisen.
Ein großes Geschenk für dich und mich wäre
Wohlwollen, das ermutigt;
Güte, die bestärkt;
Geduld, die wachsen lässt;
Vertrauen, das Neues ermöglicht;
Humor, der vieles erleichtert;
Gelassenheit, wenn Fehler gemacht werden;
Zeit, für ein Gespräch;
Liebe, die durch nichts zu ersetzen ist.
nach Karl Rahner
Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.
Da liegen sie. Gestecke in den unterschiedlichsten Grüntönen. Hier und da etwas Buntes, mal eine einzelne, weiße Blüte oder eine Schleife dazwischen.
Ich meine nicht die Adventsgestecke, die mittlerweile selbst in den Supermarktregalen liegen. Ich meine die Gestecke auf den Friedhöfen, mit denen die Gräber der Lieben geschmückt sind.
Am Totensonntag, auch Ewigkeitssonntag genannt, gedenken wir allen Menschen, die wir im vergangenen Kirchenjahr zu Grabe getragen haben. Und mit dem Gang zum Grab unserer Verstorbenen und dem Schmücken mit Gestecken oder Blumen wird einem noch einmal bewusst, dass wir alle irgendwann sterben müssen.
Herr, du bist unsre Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Da sitzen wir. Menschen in den unterschiedlichsten Schwarztönen. Hier und da mal ein grauer Mantel, ein heller Schal oder etwas Blaues dazwischen.
An diesem Sonntag erinnern wir uns an unsere Lieben und werden erneut übermannt von unterschiedlichsten Gefühlen. Unsere Gedanken kreisen. Doch die Glocken unserer Kirchen und die ersten Klänge der Orgel laden ein, den Blick auf das Schöne und Helle zu legen: auf kostbare Erinnerungen, auf Lichtblicke mitten in der Dunkelheit und die Kraft unseres Miteinanders.
Eigentlich kann man gar nicht trösten,
man kann nicht ungeschehen machen, was war oder ist.
Eigentlich kann man gar nicht trösten,
nicht mit Verharmlosung, nicht mit Beschwichtigungen,
nicht mit Versprechen
oder dem Ausblick auf ein anderes Morgen.
Möglicherweise ist das Einzige,
was eine Ahnung eines Trostes in sich trägt,
ein einfaches, aber gelebtes „Ich bin bei dir“.
Trösten ist nicht einfach. Aufblicken auch nicht. Leben wie Sterben erfordert Kraft und Mut.
Uns haben diese Worte von Andrea Abele gefallen. Sie sind ehrlich. Sie sprechen aus, was uns wichtig ist, wie wir in unserer Gemeinde miteinander leben und Anderen begegnen.
Wie Gott uns Menschen begegnet:
Ich bin bei dir!
Die Spätsommersonne streichelt gerade die Erde und die Natur gibt noch einmal alles inFarben und Formen und Früchten. Wir spüren so viel Wandel wie sonst nie.
Vergangenen Sonntag haben wir Erntedank gefeiert. Das Fest, an dem wir uns über jegliche Gaben freuen und alles sammeln, was an Fruchtbarem vor oder auf den Altar gelegt werden kann. Wir haben die Türen geöffnet, sind zusammengekommen und wurden erinnert, wie reich wir in Gottes Schöpfung beschenkt sind.
Genaugenommen kann man nämlich vieles Einsammeln und Ernten.
Und manchmal muss man auch gar nicht selbst säen oder etwas reifen lassen. Manchmal darf man einfach kommen und etwas mitnehmen.
Wir haben so viel gesammelt, dass wir dir etwas davon schenken möchten.
Wenn du die nachfolgenden Sätze gelesen hast, schließe die Augen und höre in dich hinein.
Wir haben die Antworten auf die Satzanfänge als wunderbare Gaben erfahren, in unser Körbchen gepackt und direkt probiert. Manche Frage haben wir uns aber auch selbst einmal gestellt, mit dem Vertrauen, dass die Antwort in uns reifen darf.
Einsammeln und Ernten
Es ist der Himmel… - der mich schützt.
Es ist die Erde… - die mich trägt.
Heute früh habe ich…
- das Glitzern der ersten Tautropfen wahrgenommen.
Wenn es regnet…
- hört es sich mit geschlossenen Augen an wie Applaus.
Die Lieblingsfrüchte meines Lebens…
- sind die Äpfel aus denen Oma Apfelpfannkuchen macht.
Mir schmeckt besonders…
- das frische Brot im Gottesdienst.
Von meinem Zuhause ist es nicht weit…
- bis Wiesen und Felder beginnen.
Ich wünsche mir mehr Zeit für…
- gemeinsames Kochen und stundenlanges Erzählen.
Dass es Herbst wird, erkenne ich daran, dass…
- ich auf Wollsocken über die knarrenden Dielen laufe.
Wenn ich mich traue, werde ich…
- mal ein Gespräch mit Gott führen.
Vielleicht ist es ein Samen, der irgendwo aufgehen wird. Vielleicht eine Idee, die schon lange in dir gereift ist oder einfach nur ein neuer Blick, ein Geschmack, der dir wohltut.
Eine wunderbare Reife- und Ernte-Zeit wünscht Eure Pfarrerin!
Täglich werden rund 100 Milliarden Nachrichten verschickt. Allein über das Handy.
In dieser großen Zahl sind also noch keine Botschaften über Mailserver oder Onlineportale oder gar aus dem klassischen Briefkasten wie dieser Impuls „… in diesen Tagen“ miteingerechnet.
Noch nie haben Menschen mehr kommuniziert als heute, nie waren mehr Informationen abrufbar. Und dennoch scheint die Verständigung davon nicht zu profitieren! Vielem, was geschrieben wird, fehlt die Gestik meines Gegenübers, der Klang und die Emotion, mit der es rüberkommen soll.
Unser Hörsinn ist von allen fünf Sinnen der differenzierteste Sinn. Unser menschliches Ohr ist
sensibler, genauer und auch leistungsfähiger als unsere Augen. Es hilft ebenso bei der Orientierung. Es kann zwischen 10 Oktaven unterscheiden und sogar im Schlaf Alarmsignale wahrnehmen.
Ob ich etwas als leise oder laut, angenehm oder unangenehm wahrnehme, liegt ganz bei mir.
Zwar gibt es für Lautstärken Richtlinien – danach sind 80 Dezibel als durchschnittliche Maximal-Lautstärke vergeben und das ist in etwa ein älteres Staubsaugermodell, doch das Aufatmen eines Menschen – gerade mal 10 Dezibel, kann mir weitaus lauter vorkommen als Schneefall in der
gleichen Frequenz. Und wer denkt nicht in manchen Situationen, man könne sein Herz vor Auf-regung laut schlagen hören.
Oft entscheidet sich mit Klang und Lautstärke ob mich Worte verletzten, Töne berühren oder mir etwas zu Herzen geht. Eine Welt ohne Worte ist für Hörende deshalb unvorstellbar. Kein Kinder-lachen, kein Regen der an die Scheiben trommelt, kein „Danke“ oder „Ich hab dich lieb!“.
Doch Hören hat nicht nur etwas mit wundervollen Klavierklängen oder nervenden Rasenmähern zu tun, Hören ist gleichzeitig auch Wahrnehmen und Verstehen. Wie oft wünsche ich mir die
richtigen Worte zu finden, das berührende, öffnende Wort parat zu haben, das durchs Ohr
direkt ins Herz dringt?
„Hefata!“ ist das Wort, das in einer biblischen Geschichte (Lk 7,31-37), in der es um das Hören geht, alles verändert. Mit Nichts hatte der junge Mann gerechnet, nur gehofft. Und plötzlich ein Teppich voller Geräusche, der sich über ihn legte. Töne überall um ihn. „Hefata!“ hatte ein Beben ausgelöst.
„Öffne dich! Tu dich auf!“ bedeutet dieses kleine Wort. Es ist viel mehr als hören in Dezibel oder mit beiden Ohren. Wenn hören und verstehen zusammenkommen, werden Worte zu Berührungen und bekommen neue Kraft. Liebe, Hoffnung, Freude – alles ist dann hör- und spürbar!
Heute ist deshalb ein Tag um nicht nur genau hinzuschauen, sondern um genau hinzuhören.
Auf alles Leise und Laute, aber vor allem auf alles, was dahintersteckt. Ein Tag um sich zu öffnen, damit die Botschaft Gottes durch mein Ohr in mein Herz dringen kann und ich nicht nur höre, sondern auch verstehe, welch wundervolle Botschaften diese Welt für uns bereithält!
„Hefata!“ – eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
Verdammt lange her ist es, dass sich Charlton Heston und Deborah Kerr am Strand, umspült vom Wasser, in einer ikonischen Filmszene leidenschaftlich küssten und 1953 für einen Skandal sorgten.
Es folgte die legendäre Kussszene mit Audrey Hepburn im Regen oder der leidenschaftliche Kuss am Bug der später sinkenden Titanic. Spiderman küsste kopfüber, Romeo küsste Julia und selbst küssende Cowboys gab es in der Filmgeschichte. Küssen geht einfach immer!
Hast du heute schon geküsst?
Vergangene Woche wurde der Tag des Kusses gefeiert und auch in der Bibel wurde fleißig geknutscht. Kein Wunder, denn schließlich ist die Bibel so etwas wie eine Liebesgeschichte Gottes mit den Menschen und erzählt von Leben und Lieben jener. Das Ganze dann mit einem Kuss auszudrücken, ist demnach völlig normal.
Ob Adam seiner Eva einen Kuss gegeben hat, ist leider nicht überliefert. Dafür aber, dass König Salomo ziemlich viel vom Küssen hielt. In seinem Hohelied, einer Sammlung von Liebesliedern, geht es ganz schön zur Sache: „Ich möcht, dass er mich küsst, dass er mich küsst mit seinem Mund. Ja, deine Liebe ist köstlicher als Wein.“ Und weiter: „Nimm mich mit dir, schnell, lass uns gehen!“ (Hoh 1,2f.) Daraus könnte man sicher eine Filmszene machen.
Geküsst wird in der Bibel zu allen möglichen Gelegenheiten.
Zu freudigen Anlässen wie dem Wiedersehen, zur besonderen Würdigung sogar die Füße, zum Zeichen des liebevollen Segens die Stirn. Am häufigsten erwähnt das Alte Testament Küsse zwischen Familienmitgliedern. Menschen küssen Kinder, Enkel, Eltern, Geschwister. Es gibt aber auch Freundschaftsküsse zwischen Menschen des gleichen Geschlechts. Küsse waren und bleiben Ausdruck der Zuwendung, Liebe und Dankbarkeit. Nicht alle sind also so erotisch wie im Hohelied.
Leider gibt es dann aber auch noch die trügerischen, falschen Küsse. Allen voran diesen einen:
der Judaskuss. Mit ihm soll Judas Jesus verraten haben. Trotzdem blieb der Kuss etwas Besonderes und die Bibel fordert auf: „Grüßt euch untereinander mit dem Kuss der Liebe.“ (bspw. 2.Kor 13,12)
Hast du heute also schon geküsst?
Küssen ist etwas Wunderbares! Es gibt so viele Arten von Küssen und in einem Kuss kann so viel stecken, selbst ein politisches Statement.
Ich lasse mich deshalb mit dem Tag des Kusses gerne erinnern, was es alles für tolle Gelegenheiten gibt sich zu küssen und höre „I just want your extra time and your... kiss!“ (Prince)
Handkuss, Eskimoküsschen, Bussi, Luftkuss… Grüße von Eurer Pfarrerin!
„Ne, fesch, die neue Frisur!“
Jetzt, da die Friseursalons wieder offen haben, bekommt man diesen Satz auch wieder öfter zu hören.
Es ändert sich aber nicht automatisch etwas, nur, weil man eine neue Frisur auf seinem Kopf hat.
Jetzt werden ihr bestimmt denken, war die zu lange unter der Haube? Was will sie uns denn damit schon
wieder sagen?
Nun ja, „ne, fesch“, wenn man es pfälzisch ausspricht, und „nefesch“, ein Wort aus dem Hebräischen, klingen ziemlich ähnlich. Und „nefesch“ bedeutet so etwas wie Lebensatem. Es ist das, was einem lebendig macht, sich gut fühlen lässt. Da ist der Gedanke an einen feschen Haarschnitt gar nicht so abwegig.
Das Leben im Menschen sehnt sich nicht nur nach Ruhe und Beständigkeit, sondern auch nach Steigerung oder Veränderung hier und da. Das gelingt vielen von uns in dem sie gesund leben, Sport machen oder in dem sie sich eben noch hübscher machen. Doch das Leben hungert und düstert nach mehr, es begehrt und wünscht tiefer. Genauso wie es leidet und verzagt. Und da hilft dann leider auch die schönste Frisur nur kurz oder manchmal gar nichts.
In der Bibel ist davon oft die Rede und einer, der sich verändern möchte, ist Nikodemus.
Er geht aber nicht zum Friseur, sondern kommt gleich zu Jesus. Von ihm will er nämlich lernen wie man neu wird. Doch Jesus stellt alles auf den Kopf. Seine Botschaft ist klar: der Mensch muss sich innerlich verändern!
Pfingsten hat so einiges durcheinandergewirbelt und es wurde vieles neu, aber die Überraschungen verblassen Tag für Tag ein bisschen mehr. Deshalb muss sich die Begeisterung jetzt im Alltag bewähren! Und das gehört zu den schönsten und vielfältigsten Herausforderungen zugleich:
sich nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich zu ändern.
Natürlich bilden Körper und Seele eine Einheit. Doch sich um den Körper zu kümmern, heißt zugleich auch, auf der Suche nach dem zu sein, was auch mein Inneres verändert und glücklich macht.
Gottes Zuwendung in meinem Denken und Handeln, die Erfahrung von echter Verbundenheit und bedingungslosem Dazugehören in unserer Gemeinschaft, das ist so etwas, was uns bis in die Haarspitzen glücklich machen kann, die „nefesch“ verändert.
„Wie soll das gehen?“ fragt sich Nikodemus und ich antworte mit einer Einladung, bei uns vorbeizuschauen und die Lebensenergie zu finden – egal ob mit Dutt, Vokuhila oder Wallemähne.
Fesche Grüße von Eurer Pfarrerin!
Es ist Zeit vergangen, seit unserem Osterfest vergangen und wir werden an einem der Sonntage, am Sonntag Jubilate erinnert: jubelt! Es ist etwas Neues entstanden! Denn das bedeutet Jubilate: freut euch!
Doch wann hast du das letzte Mal gejubelt? Wann hat dich das letzte Mal etwas so richtig erfreut?
Aktuell wird häufig geklagt, was alles schlecht ist und man jammert, was man alles nicht darf. Ja, da nehme ich mich nicht aus. Auch ich bin langsam „mütend“, wie es neuerdings heißt. Eine Mischung aus müde und wütend. Und vielen Menschen, die bisher die Maßnahmen der Pandemie weitgehend mitgetragen haben, geht es ähnlich. Sie scheinen nun ihr letztes bisschen Energie zu brauchen, um ihren Alltag zu meistern. Zum Jubeln ist den Wenigsten zumute.
Irgendwo auf der Welt schaut gerade einer aufs Meer, dort wo ich jetzt gerne wäre, und wünscht sich auch an einen anderen Ort. Irgendwo sagt einer zum ersten Mal „später“ oder hört eine „jetzt!“. Irgendwo auf dieser Welt lacht gerade ein Kind oder weint ein Erwachsener. Irgendwo ist man müde und können manche doch jubeln. Und irgendwo liest jemand:
Christus spricht: „Wenn ihr mit mir verbunden bleibt und meine Worte im Innersten bewahrt,
dann gilt: Was immer ihr wollt, darum bittet.“
Es gibt etwas, das uns verbindet oder neue Wege zeigt. Einer, der da ist, irgendwo, und unsere Wünsche hört, wenn wir sie aussprechen. Müdigkeit genauso wahrnimmt wie unsere Wut.
Wir können nicht immer jubeln. Doch es gibt genügend kleine Dinge, die uns einladen uns zu freuen.
Irgendwo nimmt eine ein Beatmungsgerät ab und einer macht erste, langsame Schritte vorwärts. Irgendwo wirbelt ein Großvater sein Enkelkind durch die Luft und trinken Freundinnen zusammen Milchkaffee. Irgendwo springt eine Knospe am Baum auf und kitzelt ein Sonnenstrahl unsere Haut. Irgendwo wird ein Gebet erhört. Und irgendwo versteht man, was „Was immer ihr wollt, darum bittet.“ bedeutet und beginnt zu vertrauen.
Ich beginne neu anzufangen an diesem Sonntag Jubilate. Um das, was Gelingen soll, zu bitten und mit wachen Augen das scheinbar Unsichtbare zu sehen. Denn was kann es Besseres geben als daran zu glauben, dass stets etwas Neues wächst?
Ich beginne mich über ein Lachen meiner Tochter, Sonnenschein früh morgens, eine Scheibe frisches Brot und gelbe Löwenzahnblüten zu freuen. Und du? Worüber freust du dich?
Segensreiche Grüße von Jessica Rust-Bellenbaum
Gründonnerstag.
Oft fragt man mich, was daran grün ist.
Ich antworte: grün ist die Hoffnung.
Und das Gras, unser Wald und meine schöne Bluse, die ich so gerne an diesem Tag anziehe.
Was verbindest du mit grün?
Kommt das nicht von „greinen“, ein anderes Wort für „weinen“, fragen mich dann andere.
Und ich antworte: ja, dieser Abend im Garten ist einer mit Tränen. Ein Abschiedsabend.
Essen, beten, wachen, einschlafen.
Zum Heulen ist mir an diesem Tag zumute.
Muss das sein?
Das war so gedacht!
Ein Tag zum Greinen und ein Tag zum Hoffen.
Er wusste das.
Das eine gibt es im Leben nie ohne das andere.
Das ist seine Lebensregel.
Bevor Knospen aufspringen, etwas in hoffnungsvollem Grün neu erblüht und wir wieder
freudiger beten, muss es dunkel werden.
Müssen wir uns noch einmal gemeinsam an einen Tisch setzen.
Miteinander essen, weinen und hoffen.
„Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach’s
und sprach: Das ist mein Leib für euch; das tut zu meinem Gedächtnis.
Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach:
Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt,
zu meinem Gedächtnis. Denn sooft ihr von diesem Brot esst und von dem Kelch trinkt,
verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“ (1. Kor 11)
Magische Worte.
Danach beginnt eine neue Welt.
Das Brot schmeckt würzig, gesalzen von den Tränen,
der Wein rinnt unsere ausgetrockneten Kehlen hinunter.
Die Erde beginnt zu blühen,
überflutet von Licht.
Wir Menschen blicken auf und hoffen.
Denn wir merken: Es ist doch alles da.
Alles, was wir brauchen.
„Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.“ (EG 98)
Wunderbare Ostertage wünsche ich Euch!
Wenn ich die Augen schließe, träume ich mich ans blaue Meer mit bunten Fischen und Korallen, an einen Traumstrand mit Cocktail inklusive Schirmchen in der Hand. Nach Vanuatu vielleicht.
Noch nie gehört? Vanuatu ist ein Südseeparadies. 83 Inseln im südpazifischen Ozean, irgendwo grob zwischen Australien und Neuseeland. Ich träume mich genau dorthin. Mit den Füßen in den Sand, an einen Ort, von dem Viele denken, es sei ein schöner Ort zum Ausspannen.
„Was trägt dein Leben, wenn alles ins Wanken gerät?“, fragen die Frauen jenes Südseeparadieses am Ende der Welt zum diesjährigen Weltgebetstag, den wir in den Gemeinden im März feiern. „Worauf baust du?“. Sind es solche Träume, sind es besondere Erinnerungen? Ist es dein Glaube?
Das Leben in Vanuatu dreht sich um die Familie und die Gemeinschaft und klingt, wenn man etwas genauer hinhört und hinsieht, leider dann doch nicht so nach dem Südseeparadies, wie ich es mir vorstelle.
Vanuatu ist das Land auf dem sogenannten Feuerring, das am stärk-sten den Naturgewalten und den Folgen des Klimawandels ausgesetzt ist. Tropische Stürme, Mangelernährung und auch Gewalt, die gerade gegen Frauen gerichtet ist, stehen im starken Kontrast zu exotischen Tieren, fruchtbaren Böden und leckeren Früchten.
Umso erstaunlicher, wie viel Dankbarkeit und Verantwortung die Menschen der Ni-Vanuatu spüren und nach außen tragen. Auf ihrer Flagge steht es: Long God yumi stanap – Mit Gott bestehen wir!
Sie finden Halt im Glauben und rütteln kräftig an Althergebrachtem. Sie vergewissern sich, ob ihr Leben auf sicherem Grund steht und nicht auf Sand gebaut ist, so wie es als Vers am Ende der Bergpredigt in der Bibel zu lesen ist. Wer meine Worte hört und sie tut, der hat auf Fels gebaut, sagt Jesus. Handeln und Tun – das sind die Schlüsselworte, auch für die Frauen aus Vanuatu, die den Weltgebetstag vergangenen Freitag vorbereitet haben. Unser Handeln ist entscheidend!
Deshalb soll es dieses Jahr auch in unseren Gemeinden überall zu lesen und zu hören sein:
Menschen gleich zu behandeln, den CO2-Ausstoß wirklich zu verringern, weniger Plastikmüll zu produzieren, aus einer anderen Perspektive die Welt zu betrachten und meinem Gegenüber genau zuzuhören – all das ist für die Frauen aus Vanuatu Besser-Handeln statt Besser-Wissen.
Noch heute gibt es fast 100 verschiedene Sprachen auf den Inseln und alle rufen uns im Jahr 2021 zu: „Steh auf und geh!“ Denn wenn wir nichts ändern, nicht besser werden in unserem Handeln, träumen wir bald wirklich nur noch von einem dieser letzten Paradiese der Welt.
Wir haben am Freitagabend weltweit verbunden die Glocken geläutet und wir säen als Zeichen unserer Verbundenheit mit den Menschen auf Vanuatu Blumen im Pfarrgarten: kleine, blühende Inseln in unserem Garten für die Artenvielfalt. Was machst du?
Wenn ich die Augen schließe, träume ich jetzt von Sonnenschein, Schmetterlingen und Bienen. Die Füße in einer bunten Blumenwiese, über die noch meine Enkel laufen sollen, liege ich in einem Liegestuhl. Wo der steht? Hier bei uns – in Dannenfels oder Steinbach, Bennhausen, Jakobsweiler oder Börrstadt! In unserem kleinen Paradies, das sich einsetzt für die Schöpfung der ganzen Erde!
Darauf baue ich und das trägt mein Leben, wenn alles ins Wanken gerät.
Da sitzt er. Woche für Woche wird es anstrengender. Seine Gedanken schweifen:
Saftige Wiesen. Äpfel an den Bäumen. Blumen. Jetzt ist die Zeit, in der alles zu blühen beginnt. Seine Lippen formen ein Lächeln, doch es ist genauso schnell verschwunden wie gekommen. Wie wunderbar war doch alles! Wie schön war es durch den Garten zu wandeln, jemand an seiner Seite zu haben, zu reden. Frei und unbeschwert. Da sitzt er und alles wegen…
Da sitzt sie. Um sie herum das Geschrei der Kinder: laut und wirr und grell. Ein mit Nutella verschmierter Mund küsst sie flüchtig und ringt ihr ein Lächeln ab. Doch es ändert nichts an ihrem Bauchgefühl. Die Erinnerung kommt hoch. Ihre Augen bleiben am Baum vor dem Fenster hängen. Dieser eine Augenblick! Und es dauerte nicht lange bis es anders wurde…
Ein kunterbuntes Miteinander. Alle lebten. Unbeschwert. Die Zeit rann nur so dahin: Tag für Tag, Nacht für Nacht. Es war gut. Und dann wurde plötzlich alles anders!
„Als am Abend ein kühler Wind blies, ging Gott im Garten umher. Da versteckten sie sich.“ (Gen 3)
Weißt du um wen es geht? Um was es geht?
Es könnte lange her sein, gerade erst gestern oder vielleicht erst Morgen.
Da sitz er, Adam und da sitzt sie, Eva. Die ersten Menschen in der Bibel. Und um sie, die Schlange. Es könnte aber jeder von uns sein. Adam und Eva sind keine Eigennamen. Sie stehen für alle Menschen. Für dich und für mich. Und die Schlange? Sie scheint die Ursache für die Vertreibung aus dem Paradies zu sein. Ein Symbol für das Böse, die List, die Verführung.
Es steckt mehr dahinter. Ein schweigender Adam, eine alleingelassene Eva, eine fragende Schlange. Nur sind wir oft schnell dabei, die Welt in gut und schlecht, schwarz und weiß zu unterteilen. Wir können uns ertappen, wie wir vorschnell urteilen und nicht mehr hinterfragen oder wie wir wegschauen und still bleiben, nichts verändern. Warum aber sind wir nur so?
Am Anfang der Fastenzeit finden wir darauf keine einfachen Antworten. Wir sind am Beginn eines Frageweges und ich lade erneut ein, die Welt einmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, sich neu auf den Weg zu machen, dranzubleiben.
Da sitzen wir. Mit unseren scheinbaren Schwächen oder blöden Angewohnheiten. Mit dem, was wir festhalten und was wir loswerden wollen. Alles gehört zu uns. Alles hat einen Grund.
Verstecken wir uns nicht! Trauen wir uns! Fangen wir immer wieder neu an! Suchen und finden wir, was wir behalten und was wir ändern wollen.
Kraft wünsche ich uns dafür und einen kühlen Rückenwind!
Warum soll ich denn jetzt auch noch fasten? Ich muss doch eh schon auf so vieles verzichten!
So oder so ähnlich klingt es, wenn ich gerade über das Thema Fastenzeit spreche. Und ich kann es verstehen. Das Stück Schokolade oder das Glas Wein tut nach einem Tag Homeschooling oder wenn man schon wieder alleine vor dem Fernseher sitzt, eben gut. Kalorienreiche Seelentröster!
Umso neugieriger bin ich auf die diesjährige Aktion von „7 Wochen ohne“ – der Fastenaktion der evangelischen Kirche. Die ist immer besonders, denn es geht darum, die Zeit bewusst zu erleben und zu gestalten. Dieses Jahr heißt das Motto: Sieben Wochen ohne Blockaden! Ich dachte jedoch sofort: es gibt gerade genügend Blockaden, die ich nicht ändern kann. Wieso denn dieses Motto?
Das Entscheidende liegt dazwischen. Ja, Gemeinschaft braucht Regeln, aber dazwischen gibt es viele Spielräume! Und genau die eröffnen Raum für Phantasie, Leichtigkeit und vieles mehr!
Oft scheint es nur entweder – oder zu geben und wir sehen gar nicht die Möglichkeiten, die es noch gibt. Wir sind fokussiert auf die Defizite, nur auf das, was gerade nicht geht!
Wie also kann ich innerhalb von zu akzeptierenden Grenzen leben und trotzdem kreativ bleiben? Den Kühlschrank verriegeln? Den Autoschlüssel verlegen? Den Stecker vom Fernseher ziehen? Na ja, ganz so radikal muss es ja nicht sein. Mir fällt es leichter „im Kopf zu fasten“ und umzu-denken: Besinnen und in eine andere Richtung blicken. Perspektivenverschiebung!
Wir wäre es also, wenn ich abends nicht zum Fernseh-Gedudel einschlafe, sondern mir ein tolles Buch zum Lesen aussuche? Wie wäre es, wenn ich im Internet nach Rezepten ohne Fleisch suche und Lust bekomme etwas zu kochen? Wie wäre es, mal kurz vor die Tür zu treten und die Nase in die Luft strecken, wenn ich schlapp am Laptop sitze? Vielleicht bekomme ich ja Lust zum Spazieren. Lust auf vegetarisches Essen. Lust auf mehr Filme im Kopf. Lust auf Kreativität, Leichtigkeit…
Wir haben oft viel mehr Möglichkeiten, viel mehr Spielräume, als wir sehen. Manchmal ist es wirklich nur etwas weniger Verbissenheit oder ein kleiner Schritt zur Seite und es zeigt sich etwas Unerwartetes. Etwas weniger selbstauferlegte Blockaden und es zeigt sich der Spielraum.
Doch ich warne: Achtung, es könnte Spaß machen! Vorsicht, es könnte ansteckend sein!
Deshalb noch eine kleine Geschichte zum Perspektivenwechsel:
Die Ferien haben begonnen, das gemeinsame Ferienlager steht an. Charlie Brown ist schon halb an der Straße, Sally steht noch mit Sack und Pack an der Tür: „Ich weiß nicht, ob ich mit will…“. Charlie Brown ruft zurück: „Entscheide dich endlich! Der Bus fährt in fünf Minuten.“ Da setzt Sally das Gepäck ab und sagt nonchalant: „Ich komme in sechs Minuten.“
7 Wochen Spielraum, mit Gott an meiner Seite. Ich freu mich auf ein Stück Schokolade zum Buch, ein Glas Wein zum Linsencurry, auf den Blick in eine andere Richtung!
Die roten Zöpfe, bunten Ringelsocken und die Sommersprossen-Schminke warten in der Kiste.
Keine Prinzessinnen oder Piraten unterwegs; kein Polizist, der mit dem Indianer tanzt.
Dieses Jahr bleiben die Krawatten ganz und das Konfetti verstopft auch nicht den Staubsauger.
Ob dadurch aber der Fokus der Menschen mehr auf die Fastenzeit gelenkt wird – weiß ich nicht!
Drei Tage nach Altweiber warten wir morgen vergebens auf Süßigkeiten die von den Umzugswagen fliegen sollten. Und in ganz großen Schritten werden wir wohl auch nicht losziehen. Fastnacht, Fasching, Karneval: ein weiteres fröhliches Fest, das Corona zum Opfer fällt.
Dabei ist verkleiden doch so schön! Der Schüchterne kann zum roten Teufel werden, die taffe Businessmanagerin ein Engel sein. Wir können uns hinter Masken verstecken und einmal in Rollen schlüpfen, die sonst unmöglich scheinen. Und was wäre ich dieses Jahr gerne Pippi Langstrumpf und könnte mir die Welt wieder machen widde widde wie sie mir gefällt…
Tritt ein, schau mich an!
All mein Tun und Schaffen.
Wer will´s von mir lernen?
Tritt ein, ich möchte anders sein.
Ich möchte stark sein.
Tritt ein, schau mich an.
Ich möchte das Wort von deiner Freude hören.
Drei Tage sind es noch bis Aschermittwoch. Drei Tage in denen Menschen „Bist Du das wirklich? Ist das denn noch dein Ich?“ singen und vom Spiegel der Welt, der oft das wahre Gesicht zeigt. Verkleiden ist manchmal auch Verbergen, Ablenken oder der Wunsch anders sein zu wollen. Und wenn die Fastenzeit beginnt, geht es eigentlich um all das. Was lastet auf meinen Schultern? Wo könnte etwas „schlecht“ sein? Will ich wirklich so oder vielleicht anders handeln?
Wenn die Fastenzeit beginnt, warten 40 Tage bis Ostern auf uns. 40 Tage Verzicht sagen die einen. Eine Auszeit zum Nachdenken die anderen. Bis jener kommt, der uns den Spiegel vorhält und hinter unsere Maske blickt. Der eintritt, mit uns singt und lacht und uns Nähe schenkt.
Tritt ein, schau mich an!
All mein Tun und Schaffen.
Tritt ein!
Du legst mich nicht fest.
Du lässt mich frei.
Du traust mir zu, den richtigen Weg zu finden.
Schön, dass wir uns Zeit nehmen über all dies Nachzudenken! Zeit zum laut und leise sein, Zeit zum Verdecken und Zeit zum Entdecken. Oder wie Pippi es sagen würde: „Das habe ich noch nie vorher versucht. Also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe!“
Konfettigrüße – Segensgrüße zur Fastenzeit, von mir, für Euch! Pfrin. Rust-Bellenbaum
„Mamaaaaaa? Mamaaaaaa!“ – dieses Rufen kennen bestimmt viele und haben im Ohr wie es klingt, wenn ein Kind Aufmerksamkeit einfordert. Manchmal wegen jeder Kleinigkeit. „Schaaaatz?“ ist auch so ähnlich. „Kommst du mal? Wo ist denn... die Butter im Kühlschrank?“
Wir alle haben einen Namen und meistens auch einen Kosenamen.
Für unsere Kinder sind wir Mama oder Papa, für unsere Enkelkinder liebevoll die Omi oder der Opa, hinter dessen Verwandtschaftsgrad oft noch der Name kommt. Für den Partner sind viele „Schatz“ – der häufigste Kosename und vielleicht auch der Neutralste, denn wenn uns dieser Kosename in der Öffentlichkeit einmal rausrutscht, klingt es wohl weniger auffallend als Schmusebärchen oder Mausi oder einer dieser wilden Fantasienamen.
Unsere Namen sind individuell. Sie wurden bewusst für uns ausgesucht! In den letzten Jahren, mit Listen von und Infos zu den beliebtesten Vornamen, können sie sogar noch mehr über uns aussagen als nur „Das war die Tante von… oder so hieß schon dein Ur-Ur-Ur-Großvater…“.
Es ist schön zu wissen, wo unser Name herkommt und welche Geschichte sich dahinter verbirgt. Eine Erinnerung an einen besonderen Menschen, eine Tradition oder eine Übersetzung, die vielleicht als Motto über dem ganzen Leben stehen soll.
Bei der Taufe wird unser Name sogar für immer mit dem Segen Gottes verbunden.
Wir Pfarrer*innen fragen wie das Kind heißen soll, taufen es auf den Namen des dreieinigen Gottes und erbitten für das Menschenkind Gnade, Schutz und Segen in seinem Namen.
Die Grundschulkinder fragen mich daher häufig ob Gott denn alle Namen kennt. Und ich antworte: ich denke schon! Bestimmt hat er eine riesig-lange Liste und manchmal vergisst er auch einen Namen, so wie Mamas bei Geschwisterkindern alle Namen rufen, selbst wenn nur ein Kind etwas angestellt hat. Doch Gott weiß deinen Namen und wie wir kann auch er ihn genauso liebevoll wie energisch aussprechen!
An der Tonlage merkt man wahrlich häufig was los ist. Man kann Namen hart, aber auch weich aussprechen und dementsprechend reagiert auch das Gegenüber. Habe ich was angestellt, ist es etwas ganz Wichtiges oder gar ein Hilferuf? Oder kommt etwas Liebevolles, Tröstendes?
Jesus sagt im Lukasevangelium, dass nicht die jeweiligen Erfolge eines Menschen entscheidend sind, sondern dass Gott die Menschen kennt und liebt und ihre Namen fest bei sich bewahrt: „Freut euch vielmehr darüber, dass eure Namen im Himmel aufgeschrieben sind.“ (Lukas 10,20) Dieser Satz trifft die Bedeutung der Taufe:
Unabhängig davon, wie brillant ich bin oder welche Erfolge ich vorzuweisen habe – die Zuwendung Gottes ist mir immer gewiss!
„Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht.“ (Wochenspruch aus dem Hebräerbrief 3,15)
Also, ______________ (hier jetzt bitte deinen Namen einfügen), mach die Ohren auf und fühle dich geliebt. Und gesegnet, wenn wieder einmal jemand deinen Namen ruft!
Die Tage werden wieder länger und morgens wird es früher hell. Die Sonnenstrahlen
spitzeln wieder häufiger durch die Wolken. Menschen stellen wieder Kerzen in die Fenster.
Und in diesen Tagen rückt Licht auch in einem Bibelwort wieder in unseren Fokus.
„Denn diese Worte sind wie ein Licht, das an einem finsteren Ort brennt
– bis der Tag anbricht und der Morgenstern in eurem Herzen aufgeht.“ (2. Petrus 1,19)
Worte, die jemand zu mir spricht und die mich aufbauen, sind wie Licht – schreibt der Apostel Petrus in seinem Brief an die Gemeinde. Er stellte sich damals die Frage, wann denn Jesus endlich wieder an der Seite der Menschen erscheint. Denn je mehr Zeit verging, desto unsicherer wurden sie. Aufgrund der zermürbenden Situation, schreibt Petrus diesen Satz und ich finde, er trifft auch heute noch zu! Die Worte Gottes sind Grundlage unserer Hoffnung. Lichtfunken.
Licht in all seinen Formen und mit all seinen Bedeutungen ist wirklich etwas Schönes. Wenn ich diesen Bibelvers lese, spricht mich jedoch als erstes ein anderes Wort als Licht an.
Das Wort leuchtet dazwischen auf. Es funkelt. Ein kleines Wörtchen: „bis“.
Verbindet es einen Anfang und ein Ende? Jenes was schon weit weg scheint oder vergangen ist und solches, was noch kommt oder sehnlichst erwartet wird? Worte mit dem Herzen?
Ich bin irgendwo dazwischen.
Ich bin unterwegs. Geduldig.
Hinter mir liegt etwas und vor mir öffnet sich etwas.
Es verändert sich Manches. Es beginnt Anderes.
„Bis“ ordnet etwas ein, zwischen Gestern und Morgen.
Ordnet mich ein, in dem, was ich erlebe.
Und in diesen Tagen trägt das kleine Wort sogar noch ganz viel mit sich:
Zuversicht, Lebendigkeit, Anteilnahme, Wärme.
Das ist uns vielleicht gar nicht so bewusst bis… Ja, bis… Bis ich vielleicht einmal wieder morgens ganz früh den Sonnenaufgang in seiner Schönheit betrachte oder mir ein Licht im Fenster auffällt. Bis die Sonne meine Nase kitzelt und in kleinen Schritten all das geschieht, was wir uns so sehr in unserem Herzen wünschen. Oder bis mich auf diesem Weg Worte treffen, die mir sagen:
Du bist irgendwo dazwischen.
Du bist unterwegs. Sei geduldig.
Hinter dir liegt etwas und vor dir öffnet sich etwas.
Vielleicht heute ein Wort, eine Melodie, die in deinem Herzen aufgeht:
„Möge die Straße uns zusammen führen und der Wind in deinem Rücken sein.
Sanft falle Regen auf deine Felder und warm auf dein Gesicht der Sonnenschein.
Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand. Und bis…“
Es verändert sich Manches. Es beginnt Anderes. Bleibt voll Zuversicht, Lebendigkeit, Anteilnahme, Wärme. Aber bleibt vor allem Licht für andere und begleitet… bis wir uns wiedersehen!
Na? Schon alle Vorhaben für 2021 notiert? Schon die ersten Vorsätze am Umsetzen?
Die einen wollen Kilos verlieren oder gesünder essen, die anderen öfter rausgehen oder mehr Zeit für Hobbys einplanen. Manch einer will endlich etwas aufgeben, manch eine endlich etwas anfangen und jedes Jahr scheint der Beginn des neuen Jahres mit guten Vorsätzen und Vorhaben verbunden zu sein. Viele Menschen machen Listen, sammeln Ideen. Auch ich mache das und bin dann ziemlich frustriert, wenn nur wenig gelingt.
Eine große überregionale, deutsche Wochenzeitung mit vier Buchstaben hat einmal einen schönen Artikel zu Silvester geschrieben: „Gute Vorsätze sind das allerschlimmste, weil man sich nach kurzer Zeit sowieso nicht mehr an sie hält. Deshalb kommen hier 365 Vorsätze –
für jeden Tag einen.“ und während ich das hier schreibe, denke ich an den vorletzten:
„Abhaken, welche Vorsätze du von dieser Liste erfüllt hast.“
Ich überfliege die Liste, die ich ausgedruckt unter meine Schreibtischunterlage gesteckt habe und merke, es waren einige kleine Vorhaben, die ich geschafft habe. Und genau diese
schenken mir noch jetzt wundervolle Erinnerungen. Deshalb will ich sie mit Euch teilen.
Nicht, dass bei Euch steht: 25 Kilo abnehmen oder nie wieder laut werden – was ja Jahr für Jahr sofort gelingt.
1. Was Einfaches kochen und es schön anrichten.
2. Spazieren gehen, egal wie das Wetter draußen ist.
3. Mama anrufen.
4. Zu meinem Lieblingslied tanzen (laut).
5. Fenster putzen, auch wenn es schwerfällt.
6. Anrufen statt Whats-App zu schreiben.
7. Eine Pflanze kaufen und sie auch gießen.
8. Jemanden zum Kaffee einladen. Ohne Kuchen.
9. Die Tasche mit den ganzen Tüten aufräumen.
10. Stricken lernen.
11. Ein Backup vom Computer, Handy, Tablet machen.
12. Einen Klassiker kaufen und nach den ersten gelesenen Seiten ins Regal stellen.
13. Ein Foto ausdrucken/entwickeln lassen und in einem Rahmen in die Wohnung stellen.
14. In einen Gottesdienst gehen und sagen, was ich gut fand (und wenn es nur die Ruhe war).
Da waren natürlich noch ein paar mehr. Für jeden Tag einen Vorsatz. Ich habe nicht alle geschafft. Doch ich bin weniger frustriert über meine Liste als sonst und das finde ich richtig gut.
Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. (Lk 6,36)
Die Jahreslosung für 2021. Seid barmherzig mit den Menschen um Euch herum, sagt Jesus.
Seid auch barmherzig mit euch selbst. Gott jedenfalls ist es. Er hat sein Herz schon längst bei uns. Barmherzig sein war Nummer 1 auf der Liste.
Herzliche Grüße und Gottes Segen im neuen Jahr wünscht Jessica Rust-Bellenbaum
Advent – Warten auf die Ankunft des Herrn.
Schon drei Kerzen leuchten auf den vielen Adventskränzen.
Noch etwas mehr als eine Woche, dann ist Weihnachten.
Bis dahin ist bei uns eigentlich Chaos.
Der Adventskranz sieht zu Beginn noch ganz schön kahl aus und wächst erst mit dem Anzünden der ersten Kerzen. Manche Adventstürchen füllen wir wenn die ersten schon mit strahlenden Augen geöffnet wurden und Dekoration gibt es anfangs nur im Flur und in der Küche. Auch die leuchtenden Sterne für die Fenster werden meist erst im Laufe der Adventszeit gebastelt, wenn klar ist, dass die vom letzten Jahr mal wieder keiner auf dem Speicher findet. Aber immerhin duftet es schon ziemlich früh, wie es nur im Advent duftet. Nach Zimt für die Zimtsterne oder Vanille für die Vanillekipferl und irgendwann auch noch nach Tannenzweigen. Den Weihnachtsbaum zu schmücken, nun ja, das ist dann ein anderes Chaos, eine andere Geschichte…
„Bereitet dem Herrn den Weg; denn siehe, der Herr kommt gewaltig.“ (Jes 40,3.10)
Wenn ich diesen Vers lese und mir vorstelle, das Licht, der Herr besucht uns, muss ich erstmal herzlich lachen. Womit kann ich Gott in der Adventszeit dienen? Bunten Plätzchen unserer Tochter, einen Platz im Wohnzimmer zwischen Kisten voll Weihnachtskram?
Wir würde ich reagieren, wenn er schon mitten in den Vorbereitungen aufkreuzt? Maria und Josef mit dem Esel vor meiner Tür stehen würden? Noch schnell aufräumen, durchwischen?
Jedes Jahr meint man genügend Zeit zum Vorbereiten zu haben und doch herrscht bei Vielen Chaos. Die Ruhe und Besinnlichkeit muss sich Jahr für Jahr erst ihren Weg bahnen, auch im Pfarrhaus.
Es ist Advent. Es wird Weihnachten.
Gott macht sich auf den Weg zu uns,
will dich und mich besuchen.
Womit kann ich Gott dienen?
Mit ganz viel Chaos. Aber da, mittendrin, viel wichtiger als alles andere: ganz viel Liebe.
Offene Herzen und Lachen, das einlädt sich hier niederzulassen.
Und das reicht doch um sich wohlzufühlen, oder?
Herzliche Grüße von Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
An oder Aus. On oder Off. Ganz oder gar nicht.
Aus vielen Bereichen unseres Alltags kennen wir das. Beim Lichtschalter oder bei der Klingel gibt es nur An oder Aus und viele Menschen erleben im Privaten und Beruflichen häufig: ganz oder gar nicht.
Oft ist dieses Entweder-Oder hilfreich.
Telefon aus bedeutet: nicht erreichbar, eine verschlossene Tür signalisiert, da gibt es jetzt nichts. Doch es geschehen auch Dinge, die nicht in diese Kategorie passen. Vieles rund um die Corona-Pandemie zum Beispiel. Und andere unberechenbare Ereignisse, Krankheit oder Trauer.
All das lässt uns diese Kategorien überdenken.
In der vergangenen Woche haben wir den Buß- und Bettag gefeiert. Wir haben die Türen geschlossen und die Welt da draußen mal kurz auf „aus“ gestellt. Es wurde dunkel und in der Stille, die sich über die Kirche, Häuser und Straßen legte, brachten wir vor Gott, was zerbrochen ist – in uns und zwischen uns. Wo wir nicht weiterwissen.
Bestimmt wünsche nicht nur ich mir manchmal diesen Aus-Schalter oder Knopf in meinem Leben genauso wie das genaue Gegenteil: auf „on“ drücken, wenn ich mich kraftlos oder leer fühle. Energie und Hoffnung, bitte jetzt!
Wir haben es gespürt und werden es in den letzten Tagen unseres Kirchenjahres, wenn wir an unsere Verstorbene gedenken, spüren. Da ist einer: gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte. Gott. Er will das „on“, das Leben. Doch Gott lädt vielleicht auch ein, darüber nachzudenken. Wenn wir innehalten schenkt er uns einen neuen Blick auf das Leben, auf andere Menschen und auf uns selbst.
Wie wäre es also, wenn gerade das „aus“ dich weiterbringt?
Wie wäre es, wenn wir loslassen ohne Verlustangst?
Wie wäre es, Halt zu finden, ohne festgehalten und eingeengt zu werden?
Wie wäre es, wenn Du Dich findest ohne Verlorenzugehen?
Vielleicht können wir in diesen Tagen einmal wieder den Schalter umlegen. Egal ob in die eine oder in die andere Richtung. Und vielleicht können wir auch das „wenn“ streichen und den ersten Schritt wagen.
In der Welt Gottes. In Gottes Hand. Im Hier und Jetzt.
Und mit dem Glauben, dass es doch auch immer etwas dazwischen gibt.
Segensreiche Grüße!
„Du sollst den Sabbat heiligen.“ (2. Mose 20)
Den Sonntag bedenken, den Tag des Herrn ehren. Also ein Feiertag. Ein Tag zum Ausruhen.
Wo soll der sein, frage ich mich. Zwischen all den Vorbereitungen für Presbyteriumswahlen und einem Koffer voller Wäsche, Liegengebliebenem auf dem Schreibtisch und meinem Einkaufskorb, neuen Coronaverordnungen und Gedankenkarussellen…
Ach ja, einen Tag Ruhe. Der Tag heute, der ist es schon mal nicht.
„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ fällt mir noch ein. Ist ja schließlich auch bei den vielen Geboten dabei und an Töten oder Ehebrechen will ich jetzt nicht unbedingt denken.
Also wende ich mich meinem Nächsten zu und lese erst einmal mit meiner Tochter die Geschichte vom kleinen, frechen Sams. Das stellt so tolle Fragen und die Welt auf den Kopf und Herr Taschenbier hat immerhin freitags frei und bekommt montags Blumen von Herrn Mohn. Die hätte ich jetzt auch gerne auf meinem Schreibtisch. Und meine Gedanken wandern.
Wenn am Samstag das Sams käme – was würde ich mir wünschen?
Einen Sack Gold? Gesundheit? Freien Eintritt in den Zoo? Eine Sekretärin? Eine Zeitmaschine?
Wenn am Samstag das Sams käme – was würdest Du Dir wünschen?
Eine neue Weltordnung? Eine neue Liebe?
Was würdest Du Dir wünschen für Dich? Für Deine Lieben? Für unsere Kirche?
Wenn am Samstag das Sams käme – das wäre herrlich, mit all seinen Wunschpunkten und seinen Fragen und seinen Reimen. Auch wenn es hier dann wahrscheinlich noch mehr drunter und drüber gehen würde.
Meine Gedanken wandern zurück, ich sehe das lachende Gesicht meiner Tochter. Träumst du?
Da war er, der Moment zum Ausruhen. Und während ich schreibe ist immer noch Sonntag. Und die Sonne scheint auch noch. Na, das ist doch schon mal ein guter Anfang, oder was meint Ihr?
Eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
Es regnet.
Aus Eimern. Gefühlt immer genau dann, wenn ich draußen bin.
Von drinnen hört es sich an wie Musik.
Wenn ich die Augen schließe.
An der Scheibe sieht es aus wie ein Gemälde.
Wenn ich genau hinschaue.
Es regnet.
Und ich frage mich, was Gott sich noch so alles ausgedacht hat.
Es ist Zeit für Tee und Kekse, Sofa und Wollsocken.
Geschichten bei Regenwetter.
Gott ist unbegreiflich.
Für die einen im negativen Sinn mit all den Fragen.
Für die anderen im Positiven mit all den Antworten.
Quelle. Lichtblick. Seelenwärmer.
Gott verstehen zu wollen? Das geht nicht.
Manches können wir nur erahnen.
Einiges können wir sehen.
Vieles spüren.
Es regnet.
Die Wurzeln strecken sich aus, die Blätter tanzen, die Tropfen fallen und singen ein Loblied.
Wir können staunen.
Wir können uns wundern. Oder freuen.
Gott ist unbegreiflich.
Eurer Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
„Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ (Ps 103,2)
Vereinzelt kann man es schon an den goldenen Farben in den frühen Morgenstunden erkennen. Es wird Herbst und ein freundlicher September-Sommer soll auf uns warten.
So sagen es die Meteorologen. Die können als Wissenschaftler, die sich mit dem Wetter beschäftigen, nämlich vorhersagen, was uns erwartet und sind dann doch ein wenig dafür verantwortlich, wie wir morgens das Haus verlassen.
Manchmal bin ich aber leider leicht genervt, wenn ich einen dicken Pulli anhabe und die Sonne dann doch viel kräftiger vom Himmel brennt oder auch wenn es kühl bleibt und ich noch Sandalen an den Füßen trage.
Dabei können die Meteorologen oder „Wetterfrösche“, wie man sie auch nennt, gar nichts dafür. Sie machen ja nicht das Wetter, sie versuchen es nur vorherzusagen. Sie helfen uns, uns richtig vorzubereiten. Trotzdem bin ich leicht eingeschnappt, wenn gerade an einem Festtag oder in den Ferien Regen gemeldet ist.
Manchmal bin ich auch in Bezug auf Gottes Vorhersagen motzig. Wenn ich mal wieder lese, dass wir Menschen nur an uns denken oder Gutes allzu oft vergessen.
Doch Gott meint es gut mit uns. Ebenso wie die Meteorologen, wenn sie einen stürmischen Herbst ankündigen.
Gott tut das, damit wir erkennen, wo Fehler passieren oder wir etwas besser machen können. Wo wir die zusätzliche Weste oder den Regenschirm einpacken können.
Wie oft haben wir denn schon Gutes erfahren und wie oft ist es denn schon mit Hilfe gelungen, schwere Momente zu durchleben?
Dass ich in alle Zeiten nicht im Regen stehen gelassen werde – das zeigt Gott uns mit seinen Worten. Und das macht mir Mut. Nicht nur im Herbst.
Genießt die wohltuende Herbstsonne, die Pfützen und den Wind, der Euch den Kopf frei weht! Eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
Eis geht immer.
Gerade in der Sommerzeit, wenn es draußen heiß ist, wirkt ein kühles Eis so richtig erfrischend.
Unsere Tochter liest gerade – natürlich während sie ein Eis schleckt, in ihrem Buch etwas über besonderes Eis aus einem zauberhaften Eisladen.
Da gibt es Mut-, Fröhlichkeits- oder Trost-Eis, berichtet sie.
Also neben Vanille und Erdbeere auch noch etwas ganz Spezielles.
Was ist Eure Lieblingssorte? Eher fruchtig oder lieber schokoladig?
Oder welches Eis würde Dich gerade erfrischen, Dir gut tun? Vielleicht Entspannungs-Eis?
Wenn in der Bibel von Erfrischung oder Erquickung die Rede ist, dann im praktischen und im geistlichen Sinn. Erquickt wird der Mensch durch Ruhe am Sonntag oder durch Musik. Erfrischt wird er von frischem Wasser und ermutigender Freundschaft.
Der Apostel Petrus ruft seine Zuhörer in der Sommerzeit nach Pfingsten auf, das Evangelium anzunehmen „auf dass Zeiten der Erquickung kommen.“ (Apg 3,20)
Damit ist das Mut- oder Trost-Eis gar nicht so abwegig.
Etwas probieren, das glücklich macht oder plötzlich mutig können wir als Christen auch.
Wir werden auch auf besondere Weise erquickt und erfrischt wenn wir zur Ruhe kommen oder wenn wir uns Zeit nehmen für ein Gebet oder einen Gottesdienstbesuch.
Und wenn man’s so sieht, sind wir damit auch ein ganz besonderer Laden in der Sommerzeit.
Erfrischende Grüße von Eurer Pfarrerin! Denkt beim Eis essen an mich…
Jessica Rust-Bellenbaum
X-ter Sonntag nach Trinitatis – hört das denn gar nicht mehr auf? Trinitatis, das ist lateinisch und damit schon für 90% der Menschheit verloren. Solche Worte stehen in der Kirche wie Nilpferde im Weg, sagt ein bekannter Theologe. Deswegen gehen manche auch nicht hin. Lang-weilig.
Nilpferd war das Stichwort. Mir fällt etwas ein. Helme Heine hat etwas geschrieben. Eine Geschichte, die man auch in der Kirche hören kann. Eine Geschichte von einem kleinen Nashorn. Kein Nilpferd, aber auch solch ein Dickhäuter.
Das Nashorn im Buch ist goldig. Aber es hat ziemlich zu kämpfen. Erst setzt sich ein Schmetterling auf sein Horn und das Horn knickt um, dann sind seine Fußsohlen so dünn, dass es beim Laufen wehtut. Helm und Stiefel müssen her.
Ihr könnt es Euch denken. Bald verschwindet es hinter einer Art Ritterrüstung. Es kann ihm nichts mehr passieren, es ist gut geschützt. Das Nashorn ist mit seiner Rüstung unbesiegbar geworden. Alles prallt ab.
Kinder, die diese Geschichte hören und sehen, sind fasziniert. Sie spüren aber sofort, dass etwas nicht stimmt. Ich auch.
Denn nach und nach verschwindet das Nashorn hinter dicken Blechen. Keine Haut ist mehr zu erkennen, kein Gesicht mehr zu sehen, kein Lächeln.
Wer schlechte Erfahrungen gemacht hat, Ängste durchlebt – das kennen wir, wer ständig angegriffen wird, im Beruf oder in der Familie, wer permanent in Sorgen oder Stress lebt – das ist uns alles nicht fremd, der wird dafür Sorge tragen, dass möglichst viel abprallt. So schützt man sich.
Doch: man verliert irgendwie auch ein Teil dessen, was wichtig ist und ein Teil von sich selbst.
Jesus war einer, der ziemlich genau erkannte, ob sich einer hinter einer seelischen Rüstung verschanzt. Er trifft eine Frau am Brunnen, spricht sie an, und nach anfänglichem Zögern schüttet sie ihm ihr Herz aus. Dann, ein Mann namens Zachäus, äußerlich reich, innerlich arm, weil ohne Liebe. Er besucht ihn, isst mit ihm, hört ihm zu und spricht mit ihm.
Es gibt viele solcher Menschen und Begegnungen mit Jesus. Alle legen nach und nach die seelische Ritterrüstung ab.
Was ist meine? Was ist deine?
Im Kinderbuch begegnet das Nashorn im Übrigen einer Prinzessin – wie sollte es auch anders sein. Sie will es küssen, lieb haben, ihm zeigen wie wertvoll es ist. Nach und nach kommen deshalb das Gesicht, die Augen, die Haut wieder zum Vorschein und sie gehen gemeinsam baden.
Liebe durchbricht manche Rüstung. In der Bibel genauso wie im Kinderbuch. Im Gottesdienst wie im Leben. Und das ist gar nicht langweilig.
Sommerliche Grüße! Eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
Milch sauer. Toast im Toaster verbrannt. Lieblingsmarmelade leer. Zurück ins Bett?
Manchmal kommt es geballt auf einmal und man weiß schon in den ersten Stunden des Tages, dieser Tag ist … . Nun ja, jeder hat mal einen schlechten Tag. Die Frage ist nur, was wir daraus machen. Tee statt Kaffee oder Kakao? Müsli statt Toast?
Wie wir mit negativen Dingen umgehen, gar mit unserem Leben umgehen, und was wir für eine Einstellung haben, sagt viel über uns aus.
Einer, der vor langer Zeit auch einen schlechten Tag hatte, ist Jona. Jona, das ist derjenige, der eine wirklich große Aufgabe von Gott bekommen hat und sie so gar nicht annehmen will. Er will sich lieber unter der Decke verkriechen. Deshalb läuft Jona weg. Er möchte einfach partout nicht dem feindlichen Volk übermitteln, dass es, wenn es sich in seinem Verhalten bessert, auch von Gott angenommen und beschützt wird und ihm nichts Böses passiert. Aber das zu erklären, darauf hat Jona einfach keine Lust.
Also versteckt er sich. Nicht unter der Bettdecke, sondern in einem Schiff. Er geht an Bord, versteckt sich im Bauch des Schiffes und dann…
Viele kennen die Geschichte. Es stürmt. Jona geht über Bord. Der große Fisch schluckt ihn. Und Jona weiß dann doch, Gott findet mich überall! Deshalb betet er auch. Er betet in etwa: Wenn du mich verschonst, Gott, dann gehe ich nach Ninive und tue, was du willst. Und schon spuckt der große Fisch Jona wieder an Land und er übermittelt dann doch den Menschen die Botschaft Gottes.
Jedoch glaubt Jona gar nicht daran, dass die Menschen sich ändern und er will auch nicht einsehen, dass Gott seine Drohung dem schlimmsten Feind gegenüber nicht wahrmacht. Daher fühlt es sich umso blöder an, als wirklich etwas passiert und Jona wird motzig, zornig: Warum dieses Chaos? War ja klar, dass es gut ausgeht! Ich wusste es, „du bist gnädig und barmherzig, unendlich geduldig und voller Güte.“ (Jona 4,2) Jona fühlt sich schon etwas veräppelt. Jetzt ist´s genug!
In der Geschichte schleicht Jona noch einmal davon und Gott beschützt ihn erneut. Und letztendlich erklärt Gott ihm, dass er nicht anderen Gottes Gnade verwehren kann, wo er sie doch für sich selbst auch beansprucht. Oder nicht anderen etwas neiden kann, was er auch gerne hätte.
Manchmal würde ich auch gerne weglaufen. Vor großen Aufgaben, vor mancher Verantwortung oder vor Entscheidungen. Und manchmal bin auch ich neidisch, wenn bei den anderen alles glatt läuft und ich einen schlechten Tag habe. Das ist nur allzu menschlich!
Jona lehrt mich jedoch einmal wieder mehr, dass man nicht vergleichen soll. Jeder von uns ist einzigartig und jede Entscheidung hat ihren Grund – auch wenn ich sie erst einmal nicht verstehe oder akzeptieren will.
Und die Geschichte lehrt mich, es ist nicht fair, anderen etwas zu missgönnen, was ich selbst gerne hätte. Ich bin ganz alleine dafür verantwortlich ob ich verärgert bleibe oder den angebrannten Toast mit einem Lächeln in den Biomüll katapultiere.
Denn eins ist gewiss, gnädig und barmherzig, unendlich geduldig und voller Güte ist der Herr und ich kann es, wenn ich will, auch sein – zu mir selbst und zu anderen!
Lasst euch nicht verschlucken. Eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
Kennt ihr das?
Wenn es so still ist, dass es schon weh tut?
Wenn etwas fehlt?
Wenn das Schweigen unangenehm wird und die Lücke scheinbar immer größer?
Zwischen Jesu Rückkehr in den Himmel an Christi Himmelfahrt und Pfingsten, jenem Tag, an dem die Menschen wieder zusammenfanden und begannen, die Frohe Botschaft zu verkünden, ist auch so eine Lücke. Und eine Stille. Jesus ist fort und der Heilige Geist ist noch nicht da.
Dabei zeigt sich doch gerade im Geist das Handeln. Wir sprechen ja nicht umsonst davon be-geistert zu sein, halten etwas für geist-reich, loben den Teamgeist oder Zeitgeist.
Der Geist ist kraftvoll. Wie ein kühler Lufthauch, der mich erfrischt; wie Rückenwind, der uns beflügelt; wie ein stürmisches Gewitter, das die Luft reinigt.
Aber zwischen vergangenem Donnerstag und nächstem Sonntag ist Flaute, Stille.
Scheinbar nichts.
Mir kommt ein sanfter Gedanke: Gott will nicht nur, dass wir von ihm erzählen oder ihn anbeten. Er will vielmehr, dass wir uns von ihm ergreifen und begeistern lassen. Ihm die Hand hinhalten, dass er uns mitreißen und berühren kann. Und begreifen: ich, ja, ich bin gemeint! Für mich will er da sein!
Jesus fordert die Menschen immer wieder auf umzudenken und neu zu denken. Deshalb ist es doch nur logisch, dass es dafür eben manchmal auch still sein muss! Bis das Brausen vom Himmel kommt.
Lasst euch begeistern! Eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
Habt ihr auch die Leiter eingepackt?
Diese Frage stelle ich gerne mit einem Augenzwinkern den jungen Vätern und älteren Männern, die davon berichten, dass sie am heutigen Tag einen Ausflug ins Grüne machen. Meistens reagieren sie mit völliger Ahnungslosigkeit: Häh? Eine Leiter? Und dann kommt meine Chance: Nun ja, heute ist Christi Himmelfahrt und das feiern wir Christinnen und Christen – in den Kirchen, auf Bergen und in Wäldern, mit Chören und Musikvereinen.
Unser Kirchenjahr braucht auch dieses Fest, um das Leben Jesu nachzuvollziehen.
Weihnachten feiern wir ja die Geburt Jesu, Karfreitag Jesu Tod und Ostern dann seine Auferstehung. Und an Himmelfahrt eben die Rückkehr zum Vater in den Himmel. Das ist nur ebenso schwer darzustellen wie nachzuvollziehen.
„…aufgefahren in den Himmel…“. Ja wie? Mit einer Rolltreppe? Mit Flügeln? Als Superman?
Ich möchte es erfahrbar und interessant machen und frage deshalb eben manchmal auch mit einem Augenzwinkern nach der Leiter.
In der Bibel berichtet lediglich der Evangelist Lukas von der Himmelfahrt Jesu: „Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel." (Lk 24,51). Zum bevorzugten Motiv in der bildenden Kunst wurde der Satz: „Eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken" (Apg 1,9). Mal dargestellt als der letzte Gang des Gottessohnes, mal ein majestätisches Entschweben. Welchen Weg Christus in den Himmel nahm, darüber machte man sich nicht nur in der christlichen Kunst viele verschiedene Vorstellungen.
Christi Himmelfahrt ist leider in den letzten Jahren ein wenig in den Hintergrund gerückt. Die Feier des Vatertags nimmt in unserer Gesellschaft den größeren Raum ein und im Theologischen scheint auch eher die Pfingstgeschichte, die Ausgießung von Gottes Geist auf die versammelte urchristliche Gemeinde, der Geburtstag der Kirche, wichtiger. Dabei ist Christi Himmelfahrt jenes Ereignis, das begreifbar machen soll, Jesus ist nicht mehr da! Weg!. „...aufgefahren in den Himmel“. Und das bedeutet dann wiederum, dass der auferstandene Christus nun „bei Gott ist". Der Himmel ist demnach kein geografischer Ort, sondern der Herrschaftsbereich Gottes. Im Englischen wäre es der Unterschied zwischen sky und heaven.
Der heutige Tag hilft uns also zu verstehen, dass Jesus zwar lebt und regiert, aber nicht mehr in körperlicher Gestalt da ist. Jesus ist weiterhin Tröster und Beistand, Quelle und Kraft – aber ab jetzt eben anders. Deshalb glauben wir Christinnen und Christen auch, wenn Jesus nicht leibhaftig bei uns ist, dann ist er es aber definitiv im Geiste.
Und da wir Gott auch noch als Vater verstehen, als Vater Jesu Christi und auch von allen Menschen, ist Himmelfahrt dann doch Vatertag – auch und gerade für uns Christinnen und Christen.
Wir feiern es nur ein klitzekleines bisschen anders…
Es grüßt Euch Eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
Ich kenne ihn schon ziemlich lange.
Deshalb kann ich in die tollsten Kleider geschlüpft sein oder gerade in Jogginghosen dasitzen. Meine Haare können fettig sein, meine Zähne noch ungeputzt. Es kann früh morgens sein, wenn noch kein Hahn nach etwas kräht oder spät abends, wenn eigentlich schon alle ins Bett wollen.
Ich kenne ihn ziemlich gut.
Wenn es mir nicht gut geht, kann ich ihn anrufen. Dann nimmt er einfach ab ohne etwas zu sagen und ich kann loslegen. Was ich erlebt habe, was mich aufgeregt oder wer mich geärgert hat, was ich so richtig toll fand und worüber ich mich vor Lachen nicht mehr einbekommen habe.
Er kennt mich in und auswendig.
Und er hört einfach nur zu. Er urteilt nicht, er ist nicht dafür oder dagegen. Nur manchmal kommt ein leises „Na und?“ und ich überlege noch einmal kurz warum ich mich so aufgeregt habe. Ich sehe sein wohlwollendes Lächeln vor mir und seinen aufmunternden Blick: „Leg los, ich hab Zeit!“.
Deshalb erzähle ich ihm meine sehnsüchtigsten Wünsche und meine größten Ängste. Er erzählt sie ganz bestimmt nicht weiter. Ich kann ihm vertrauen und selbst wenn ich flüstere, versteht er alles. Wenn ich weine, schreie oder hysterisch werde, läuft er trotzdem nicht weg oder legt auf.
„Mensch, so jemanden hätte ich auch gerne!“, sagen meine Freunde. Einer, der immer da ist.
Gestern habe ich ihm erzählt, dass ich nicht weiß, wie ich ihn beschreiben soll – wenn ich mit anderen über ihn rede. Dass ich irgendwie immer nur sagen kann, was ich schon alles mit ihm erlebt habe und wo oder wann er überall für mich da war. „Reicht doch“, hat er gesagt.
Da war ich wieder glücklich! Wie einfach es doch mit ihm ist.
Heute feiern wir den Sonntag „Rogate“ – zu Deutsch: betet! Da werde ich mich auf jeden Fall bei ihm melden. Wenn ihr Lust habt, könnt Ihr es ja auch mal versuchen. Er freut sich bestimmt!
Es grüß Euch Eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
Ich glaube an dieses innerste Gespräch
meiner Seele, unserer Seelen.
Ich glaube an die Kraft,
die verwandelt
und größer ist als alles andere.
Wenn ich bete, lasse ich los.
Wenn ich bete, spüre ich,
alles, was geschieht, liegt in seinen Händen.
All mein Sehnen und Suchen,
meine Fragen und mein Glück,
alles hat bei ihm einen Platz.
Gott, der gewollt hat,
dass alles ist und alles sein kann
und der einmal und für ewig gesagt hat:
Ich kenne dich. Ich bin da. Amen.
Ich liebe es Listen zu machen.
Einkaufslisten, Packlisten für den Urlaub, Geburtstagslisten, Essenslisten, To-do-Listen…
In der Bibel gibt es auch viele Listen und man kann – wenn man verrückt genug ist, Listen anhand verschiedener Ereignisse oder von Menschen der Bibel machen.
Ganz am Anfang der Bibel gibt es schon gleich die erste Liste über die Erschaffung der Welt:
1. Tag = die Erde und Licht, 2. Tag = Himmel usw.. Später gibt es sogenannte Geschlechterregister oder Völkertafeln: eine Aufzählung ganz vieler Namen mit Alter. Irgendwann liest man die 10 Gebote, auch eine Liste, wie wir miteinander umgehen sollen. Jesus schenkt uns dann etwas daran Angelehntes, aber noch Ausgefeilteres: die Bergpredigt mit ihren Seligpreisungen und Erläuterungen zu den Geboten. „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.“.
Ich drücke mich manchmal mit einer Liste davor, so richtig anzufangen und erschrecke dann, was ich alles aufgeschrieben habe. Deshalb hier mal zwei Ausreden der Liste der sieben bekanntesten Ausreden: 1. Und wenn sie mir nicht glauben? 2. Ich bin zu jung!
Aus der Bibel kann man wirklich einiges herausfiltern: zwölf Berge auf denen wichtige Ereignisse stattfanden oder die zwölf häufigsten Berufe (häufigster Beruf: Fischer). Zehn Geschichten um einen Baum oder Busch, sieben Wunder, neun berühmte Paare, acht Besäufnisse, fünf besondere Babys… Ach, Listen machen macht Spaß!
In diesen Tagen haben bestimmt viele von Euch auch Listen gemacht. Was aufgeräumt oder renoviert werden soll. Hausaufgabenlisten. Wen ich mal wieder anrufen will. Was ich jetzt endlich tue. Doch manchmal kommt es dann doch anders als man denkt!
Deshalb gefällt mir eine Liste besonders. Die hängt in unserer Küche und sagt: Plan A ist durch, jetzt kommt Plan B. Sie zeigt auf moderne Art und Weise die Worte des Apostel Paulus:
„Ich will vergessen, was hinter mir liegt,
und schaue nur noch auf das Ziel vor mir.
Mit aller Kraft laufe ich darauf zu, um den Siegespreis zu gewinnen, das Leben in Gottes Herrlichkeit.“ (Phil 3,13)
Es tut gut und erleichtert eine Liste zu machen, über das, was ich schlecht finde und ändern will oder über das, was ich vorhabe, mir wünsche. Meine Liste für Morgen:
1. Erstmal einen Kaffee trinken
2. Emails beantworten und nicht so lange arbeiten (Ãœbermorgen ist auch noch ein Tag)
3. Erdbeerkuchen mit meinen Lieben futtern (mit ganz viel Sahne)
4. Einkaufen gehen und dabei Menschen beobachten (Brot nicht vergessen!)
5. Einen neuen Impuls „in diesen Tagen“ ausdenken (Thema Beten)
6. Extrem laut Musik hören und singen (der letzte Sonntag hieß ja Kantate – singt!)
7. Endlich meine Sommerschuhe vom Speicher holen
8. Eine Liste machen, wie Gottesdienste aussehen können und mich nicht entmutigen lassen
An den weiteren To-dos arbeite ich noch. Aber vielleicht habt ja auch Ihr Lust eine Liste zu machen – inmitten des Lebens in Gottes Herrlichkeit.
Freudige Grüße! Eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
„Kann mich irgendjemand hörn?“, „Ist da jemand?“ – ja klar! Bin da! „Heute, morgen, übermorgen. Guck, wie weit wir‘s schon geschafft haben.“
Wer jetzt ein wenig musikaffin in Richtung Deutschpop ist, hat gemerkt, dass dies Textfetzen aus ein paar bekannten Liedern zusammengeschrieben sind.
Der heutige Sonntag heißt Kantate – zu Deutsch: singt!
Aber ist nicht! Weder Singen noch gemeinsame Gottesdienste in den Kirchen unserer Gemeinde. Richtlinien und Hygienevorschriften stellen uns nun auf andere Art und Weise auf die Geduldsprobe. Zum Schreien ist das…
Zum Ablenken höre ich deshalb Musik!
Zum Gottesdienst gehörte von Anfang an die Musik. Das Buch der Psalmen ist das Gesangbuch der hebräischen Bibel und im Laufe der Reformation entwickelte sich ein großes Liedgut. Die Christen verliehen mit den Liedern ihrer neuen Hoffnung auf eine veränderte Kirche Ausdruck. Das scheint mir aktueller denn je!
Musik ist eine Möglichkeit Gott zu loben, ihn um etwas zu bitten oder Gefühle einfach in Töne zu packen. Tiefe, wenn ich traurig bin, hohe, wenn ich fröhlich bin. Dur oder Moll – man merkt direkt was los ist. Ein Gottesdienst ohne Musik ist deshalb kaum vorstellbar. Musik ist eine Sprache über Worte hinaus, sie ist die Sprache des Herzens. Und wenn wir in unserer Kirche vielleicht an Pfingsten „Tut mir auf die schöne Pforte“ hören und singen, wird sich sicherlich Gänsehaut breitmachen.
Selbst wenn man sich sprachlich nicht versteht, wir spüren doch immer die Gefühle, die damit verbunden sind. Ostern ohne „Christ ist erstanden, Halleluja“, eine Trauerfeier ohne „So nimm denn meine Hände“ oder den Altjahresabend ohne „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ – da würde was fehlen. Die Sprache des Herzens schafft sich Raum in und mit Musik. Die Lieder – nicht nur in unseren Kirchen, sie singen vom Leben. Von seiner Schönheit, aber auch von seiner Schwere. Vieles, was wir singen, würden wir so nämlich nicht sagen können.
Ich habe die Tage auch in unserem Gesangbuch geblättert. Heute hätten wir „Ich singe dir mit Herz und Mund“ (EG 324) gesungen. Ich bin jedoch bei einem anderen Lied hängengeblieben: „Ich steh vor dir mit leeren Händen“ (EG 382). In diesen Tagen fühlt es sich ohne Gottesdienste für mich als Pfarrerin ein wenig so an. Dieses Lied drückt die Fragen, die Ängste und die Ohnmacht mit intensiven Textzeilen aus. Dort heißt es ebenso: Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt?
Vieles ist ins Wanken geraten. Luise Schottroff, eine Theologin, hat einmal gesagt: „Wenn ihr in Not kommt, sollt ihr singen. Wenn ich singe, dann wächst meine Kraft.“
Musik ist wahrlich etwas Wunderbares! Töne, Klänge – sie sind unsichtbar und können doch einen ganzen Raum einnehmen, meinen ganzen Körper ins Schwingen bringen und mein Herz füllen.
Musik ist Ermutigung!
Lasst uns also heute Singen, am Singe-Sonntag Kantate, am Muttertag, an einem Festtag, weil Gott gestern, heute und morgen unser Atem ist! Musikalisch beten:
„An guten Tagen, gibt es nur hier und jetzt! Schau' ich nicht links und rechts, vielleicht nach vorn, doch nie zurück. An guten Tagen, ist unser Lachen echt und alle Fragen weg. Auch wenn's nur jetzt und nicht für immer ist…“ Eure summende Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
Mein Nacken schmerzt.
Vielleicht kommt es von den vielen Gedanken, die ich mir in diesen Tagen über das Öffnen der Kirchen mache. Vielleicht habe ich es aber auch nur mit dem Sport übertrieben. Ganz sicher ist es aber schlechter geworden, seit ich nicht mehr regelmäßig Yoga mache. Ja, Yoga oder Pilates oder irgendeine dieser Formen von gesundem Körpertraining. Körperschule, das kennt man mittlerweile. Alles, was die Beweglichkeit stärkt. Verbunden mit Meditation, die Stress abbaut und Konzentration fördert. Nach drei Mal „Om“ ist alles gut. Fast alles.
Yoga hat auch etwas mit Klöstern und Kirchen, Göttern und Gebeten zu tun und deshalb fließen meine Gedanken manchmal in die Richtung, ob ich als Pfarrerin überhaupt auf die Matte passe.
Es klingt nach Religion. Allerdings sollte man das nicht verallgemeinern. Gottesdienst ist auch nicht gleich Gottesdienst. Yoga-Schulen folgen unterschiedlichen Denksystemen oder Schriftquellen. Und die sind teilweise noch älter als unser Christentum.
Während der Yoga-Stunden ist immer alles ruhig und entspannt, gelassen. Es stehen Blumen und Kerzen herum, wie auf einem Altar. Und die Menschen lächeln immer. Lächle ich auch immer? Ich glaube beim Ausmessen der Kirchen und Umsetzen der Richtlinien für Gottesdienste gerade nicht.
Manchmal beten die Leute auch, rufen Lehrer und Götter an, hören Lesungen oder ein Gleichnis mit Auslegung. Sie singen im Wechsel aus dem „Kirtan“, zu Deutsch „das gefühlvolle Singen von Gottes Namen“ oder wiegen sich zur Musik. Das fühlt sich dann irgendwie schon wie Kirche an. Eine Mischung aus evangelisch und katholisch, Hinduismus und Buddhismus? Von allem etwas?
Ich habe gelernt: „Die Gottheiten stehen für verschiedene Aspekte des Göttlichen, sind aber alle Ausdrucksformen des einen Gottes.“. Ganesha mit dem Elefantenrüssel zum Beispiel hilft Hindernisse aus dem Weg zu schaffen. Eine schöne Vorstellung.
Jede Religion thematisiert das Göttliche auf ihre Art und Weise. Yoga ist aber vor allem eine Methode, kein Glaubenssystem – auch wenn die Gottesverehrung bzw. der Zugang zum Göttlichen, egal welcher Religion, gefördert wird. Deshalb hängen da dann neben den mehrarmigen Göttern doch Jesus-Kreuze, stehen Räucherstäbchen neben Kerzen und Schalen mit besonderem Wasser.
Spirituelles Yoga bedenkt viele Aspekte des Lebens. Nicht nur den Körper, auch die Gesundheit und Ernährung, die Selbstliebe und Gemeinschaft, Gewaltfreiheit und Frieden.
Aufrecht! Das habe ich nicht nur als klassische, wohltuende Yoga-Körperhaltung gelernt. Aufrecht, für meinen Glauben einstehen, ehrlich sein, das soll auch für mein Leben gelten. All meine Erfahrungen sollen meinen Glauben nähren und prägen!
Mein Nacken schmerzt. Noch immer. Aber jetzt weiß ich wieder, was mein Rücken mit Yoga und Yoga mit meinem Gott zu tun hat.
„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ (Mt 11,28).
Mein Gott ist der, der meinen Schmerz mitträgt und meiner Seele aufhilft. Der mir Bodenhaftung und Gelassenheit schenkt und ein Lächeln, wenn ich solche Impulse „in diesen Tagen“ schreibe.
In diesem Sinne: gelassene Grüße! Eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
„Er hat euch ein Beispiel gegeben, damit ihr ihm in seiner Fußspur nachfolgt.“ (1. Petr 2,21)
Das ist ein Satz aus dem Predigttext des Sonntags. Er begleitet mich seit ein paar Tagen und ich mache mir Gedanken über Füße, Fußspuren, Vorbilder, nachfolgen… So einiges!
Als erstes sind mir natürlich Schuhe eingefallen. Bin ja eine Frau. Hohe Schuhe, in denen man so richtig gut aussieht, aber überhaupt nicht laufen kann und die eigentlich verdammt weh tun. Flache Schuhe, in denen man im Sommer stinkige Füße bekommt. Turnschuhe oder Wanderschuhe, mit denen man über den Donnersberg läuft. Ersehnte Sommersandalen oder Winterboots, die in diesen Tagen endlich in der hintersten Ecke verstaut werden können und Arbeitsschuhe…
Ich besitze auch Arbeitsschuhe. Unter dem Talar haben Pfarrerinnen und Pfarrer nämlich schwarze Schuhe zu tragen. Deshalb habe ich ein paar ganz besondere, schwarze Sonntags/GottesdienstSchuhe. Und was die schon alles für Gottesdienste erlebt haben: Ich bin mit ihnen die Kanzel in Göllheim bei meiner Prüfung hochgestiegen, habe mit ihnen an den Füßen das erste Kind getauft, das erste Brautpaar getraut. Ich habe in ihnen den gefühlt heißesten Ordinations-Gottesdienst aller Zeiten erlebt und gemerkt, dass sie auf dem Friedhof doch ziemlich unpraktisch sind. Ich bin gestolpert, ausgerutscht und hatte doch auch festen Stand. Denn manchmal ist es der Untergrund, der den Unterschied macht. Oder auch im übertragenen Sinne, der Weg, dem ich folge.
„Er hat euch ein Beispiel gegeben, damit ihr ihm in seiner Fußspur nachfolgt.“
Jesus hat so einiges erlebt. Sagt man deshalb vielleicht zu bequemen Schuhen Jesus-Latschen? Und wir Christen sollen in seine Fußstapfen treten, weil Jesus ein wunderbares Vorbild war? Er war nicht nur Mensch, er war auch Gott zugleich. Er hat Großes geleistet, für uns und unsere Welt. Keine Sünden soll er getan haben, seinen Feinden nicht gedroht haben und unsere Leiden hat er getragen. Puhh, viel zu groß erscheinen mir diese Fußspuren, in die wir da treten sollen!
Ich bin auf der Suche nach rettenden Schritten. Und merke schnell: mal tappe ich in die falsche Richtung, mal ins Fettnäpfchen. Mal versinke ich vor Scham. Und wie viele verkehrte Wege scheint die Menschheit in Zeiten des Klimawandels oder gerade aktuell in diesen Tagen zu gehen?
Ich scheine auf der Stelle zu treten, mich zu verirren und bin orientierungslos.
Aber wisst Ihr was jetzt das Schöne ist? Wenn ich weiter darüber nachsinne und lese, merke ich: Jesus hat das längst gemerkt! Damals schon. Und ich muss gar nicht in seine Fußstapfen treten, ich darf seinen Spuren folgen! Wege mit ihm gehen, ihn an meiner Seite wissen. Ich muss nicht hinterherrennen oder genauso toll sein. Ich darf umkehren auf unsicheren Wegen, darf mich vorantasten, wenn ich neugierig bin. Ich darf ich sein! Egal ob mit Highheels oder ausgelatschten Birkenstock.
So ändert sich einmal wieder meine Laufrichtung in diesen Tagen. In kleinen Schritten geht es vorwärts und ich verinnerliche, auch wenn man langsam geht, kommt man ans Ziel. Und ich kann immer in die Arme des einen fallen und in seiner Fürsorge versinken und nicht etwa in irgendwelchen viel zu großen Fußspuren.
Nun aufwärts, froh den Blick gewandt und vorwärts fest den Schritt! Diese Zeilen eines Liedes hätten wir heute sicher im Gottesdienst gesungen und hoffentlich verinnerlicht.
Seid gesegnet! Eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
Die letzten Wochen und Tage waren ganz schön verrückt.
Es ist verrückt, wie schnell sich etwas verändert – Zuhause lernen wird mehr und mehr machbar, Spaziergänge gehören plötzlich fest in den Tagesablauf. Es ist verrückt, was oder wen man plötzlich alles vermisst – ich würde so gerne wieder Gespräche dicht aneinander sitzend führen, Kaffee mit den Großeltern trinken! Oder ist es nicht auch verrückt, worüber man sich so aufregen kann – rote Ampeln, fehlende Hefe, zu spät kommen?
Und ein Osterfest ohne Gottesdienste, ohne die Stille oder Dunkelheit in unseren Kirchen mit Menschen teilen zu können und die Auferstehung feiern zu können – das war genauso verrückt.
In diesen Tagen weckt deshalb ein Bibelvers meine Neugier. Da ist im Brief an die Gemeinde in Korinth zu lesen: „Die Botschaft vom Kreuz erscheint denen, die verloren gehen, als verrückt. Aber wir, die gerettet werden, erfahren die Kraft Gottes.“ (nach 1. Kor 1,18).
Die Welt ist anders geworden und ja, ruhiger und sensibler, fokussierter. Aber auch komischer, hier und da unsinniger, komplizierter. Man könnte viele Attribute für diese Tage finden. Ich bin mir sicher, Euch fällt auch ein Wort ein. Ich jedoch mag einfach das kleine Wörtchen verrückt.
Verrückt in dem Sinne, dass etwas ver-rückt ist, sich verschoben, geändert hat:
Menschen helfen einander wieder viel mehr, geben aufeinander Acht, wissen kleine Dinge zu schätzen. Auch hier kann man neben all den Schwierigkeiten ganz viel Tolles aufzählen.
Dementsprechend sind wir wirklich verrückt, denn wir haben längst Vergessenem, Verstecktem oder Verborgenen einen neuen Platz und Wert gegeben!
Für manchen haben jedoch nicht erst die Ereignisse in diesen Tagen, sondern schon die Ereignisse vor langer Zeit um Jesu Leben, Sterben, Auferstehen und die biblischen Worte alles verändert:
Gott ist an unserer Seite, Christus ist unsere Stärke! Gestern, heute, morgen.
Das erfahren wir Christinnen und Christen durch unseren Glauben und ich bin dann doch ganz schön beruhigt schon immer ein wenig ver-rückt zu sein…
Bleibt besonders in all Eurem Tun und Lassen, auch in diesen Tagen.
Sinnige Grüße! Eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
(M)ein Gebet in diesen Tagen:
Die Blumen so bunt,
das Gras so grün,
der Himmel so blau.
Auch meine Seele wächst und blüht.
Meine Wurzeln geben mir Kraft
und ich strecke mich aus.
Erobere alles Werdende mit Neugier.
Singe und bin fröhlich in dir,
mein Gott.
Denn ich weiß ja,
du nimmst mich wie ich bin.
Amen.
Quasimodogeniti.
Was ist das? Hört sich irgendwie an wie irgendwas beim Glöckner von Notre-Dame. Dabei meint es den heutigen, 1. Sonntag nach Ostern: lateinisch „Quasi modo geniti infantes" – „wie die neugeborenen Kindlein“ (1 Petr 2,2a).
Jeder Sonntag hat im liturgischen Kalender in unseren Kirchen und Gottesdiensten einen bestimmten Namen und neben so tollen Wörtern wie Kantate – singt! oder Jubilate – jauchzt, freut euch! nun eben auch mal so etwas wie Quasimodogeniti.
Wie neugeboren fühle ich mich in diesen Tagen aber eher nicht.
Der nicht allzu straffe Tagesrhythmus schlägt sich auf meine Essgewohnheiten nieder. Die Nachmittagszeit als Familie zeigt, wie gut wir im Kuchenbacken und -futtern sind. Und die Ungewissheit, wie es weitergeht, findet ihren Freund in der Chipstüte. Und meine Falten (ja, ein paar habe ich schon) sehe ich plötzlich auch – habe ja morgens viel mehr Zeit, in den Spiegel zu schauen.
All das Spazierengehen, Radfahren und Inlineskaten oder Entspannen reicht dann doch nicht aus, um das aufzuwiegen. Doch, wer kennt das nicht?
Das Wort neugeboren, wiedergeboren steckt hier aber natürlich in einem biblischen Zusammenhang. „Gelobt sei Gott, der uns wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung…“.
Lebendige Hoffnung… Wenn ich mich umschaue, ist da etwas.
Trotz allem sehe ich in diesen Tagen die Natur erwachen. Sie macht kein Halt, nur weil Corona zu Besuch ist. Knospen sprießen an den Bäumen, die Wälder werden wieder grün, die Blumen spitzen in allen Farben aus den Gärten hervor. Das Leben erwacht.
Und auch unser Leben erwacht doch wieder langsam. Die Regelungen hinsichtlich der Quarantäne werden sich Stück für Stück ändern. Wir werden, wenn auch langsam und vorsichtig, wieder all jenes erleben, was wir so schmerzlich vermisst haben.
Also beginne ich mich wirklich ein wenig wie wiedergeboren zu fühlen.
Ich fasse Mut, denn meine Ängste und Zweifel weichen mehr und mehr.
Ich lebe von der Hoffnung, die Gott mir schenkt und der Freude, die Gott mir bereitet.
Der Sonntag Quasimodogeniti erinnert uns damit auch an die neue Geburt, die wir „durch Wasser und Geist“ erfahren, das heißt den Anfang eines neuen Lebens in Christus durch unsere Taufe. Deshalb wird er in der katholischen Kirche auch Weißer Sonntag genannt. Weiß wie die Taufgewänder.
Jetzt denke ich aber schon wieder an Sahne. An Sahne und Kuchen und… Genug deshalb mit diesen Worten.
Wichtig ist doch vor allem,
dass Gott mich verwandelt.
Ja, auch ich verwandle mich in diesen Tagen und meine Seele findet eine neue Leichtigkeit!
Lebendige Grüße von Eurer Pfarrerin, Jessica Rust-Bellenbaum
Warten, geduldig sein – das fällt mir manchmal ziemlich schwer.
Wenn ich Hunger habe zum Beispiel, wenn die Ampel nicht grün wird, unsere Tochter trödelt oder wenn ich auf eine Antwort warte.
In diesen Tagen mussten und müssen wir das Warten und Geduldig-sein neu lernen.
Keine gemeinsamen Gottesdienste in unseren Kirchen, kein Treffen mit Freunden bei dem wir unsere Ängste und Sorgen teilen, kein lockeres Gespräch im Büro. Nicht immer wissen wir, wie es weitergeht oder wie wir mit den neuen Gegebenheiten umgehen sollen.
Ja, vieles ändert sich. Vieles passiert digital, aber nicht ganz so viel analog, wie manch einer es mag. Nähe und Berührung fehlen.
Doch Warten kann auch schön sein!
Zum Beispiel bis ein geliebter Mensch endlich die Tür rein oder ein ersehnter Brief ankommt.
Paulus, der Apostel, hat seiner Gemeinde auch einen Brief geschrieben wie sie in schwierigen Zeiten leben kann und soll. Darin steht, dass jeder Mensch eine Gabe, eine besondere Fähigkeit hat. Der eine kann gut trösten, die andere teilt gerne oder steckt mit ihrer Freude an, wieder ein anderer brennt für neue Ideen… und vieles mehr.
Eine Ermutigung aus seinem Brief aber passt in diesen Tagen besonders:
„Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.“ (Röm 12,12)
Diese Worte aus meinem Bibel-Briefkasten zu fischen tat ziemlich gut und deshalb schicke ich sie an Euch weiter. Ihr habt sicher ebenfalls eine besondere Gabe in diesen Tagen neu entdeckt.
Und für den Fall, dass ihr so ungeduldig seid wie ich: Fröhlich sein in Hoffnung ist auch ein guter Anfang.
Segensreiche Grüße, Eure Pfarrerin,Jessica Rust-Bellenbaum
(M)ein Gebet in diesen Tagen:
Gott, du bist in die Welt gekommen
und hast uns Menschen in unsere Herzen gesehen.
Du hast sie immer schon erkannt,
unsere Fähigkeiten,
unsere Ängste und Hoffnungen.
Danke, dass du Bewegung siehst
wo wir Stillstand fühlen,
du Luft schaffst, wo uns der Atem stockt,
du Fröhlichkeit und Geduld schenkst,
wo Last und Ungeduld uns zu erdrücken scheinen.
Gott, du Kraft des Lebens,
du bist bei uns und berührst unser Herz.
Gestern, heute und alle Zeit.
Amen.
Magdalena hatte geträumt. Vom Garten, von bunten Blumen unter einem strahlend blauen Himmel. Alles duftete, alles leuchtete in ihrem Traum, bevor es plötzlich dunkel wurde.
„Als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und den Leichnam Jesu zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging.“
Es roch nach Erde an diesem Morgen, nicht nach Frühling. Alles war grau, wie der Stein. Und schwer. Überall waren sie mit dabei gewesen. Sie waren ihm gefolgt, wohin er auch ging.
„Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier.“
Herzklopfen. Staunen. Träume ich?
„Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Geht aber hin.“
Plötzlich blühen die Blumen und singen die Vögel wie nie zuvor. Leuchtet alles wie nie zuvor.
Ich erwache an diesem Ostermorgen und möchte Magdalena an den Händen fassen, mit ihr laufen bis wir außer Atem sind, lachen und hüpfen. Kein Kreuz mehr, kein Stein, kein Dunkel. Die Welt kann bunt und froh, der Himmel so weit, das Licht so golden sein!
„Da werdet ihr ihn sehen!“
So wurde es gesagt und so steht es geschrieben. Die Frauen laufen an diesem Ostermorgen los und ich mit. Ihm nach. Denn am Ende der Wirklichkeit finden wir den Anfang von allem.
Das Licht der Hoffnung breitet sich aus und ich rufe es hinaus: Er ist auferstanden! Ja, er ist wahrhaftig auferstanden! Er macht alles neu. Fürchtet euch nicht: das Leben siegt!
Gesegnete Ostern wünscht Euch Eure Pfarrerin, Jessica Rust-Bellenbaum
Wir gehen auf Ostern zu. Auf die Karwoche mit Gründonnerstag, Karfreitag, mit der Osternacht. Die Jünger suchten in diesen Tagen einen Ort – ähnlich wie wir. Auch wir haben derzeit keinen Ort, an dem wir zusammenkommen können. Doch vielleicht sind es Gedanken-Räume in denen wir uns treffen können.
Die biblischen Ostertexte lassen Bilder in uns wachsen, wie Menschen die Ereignisse von Jesu Sterben erlebt haben. Und sie lassen uns schon früh die Gewissheit spüren, dass Jesus unabhängig von Ort und Zeit an ihrer Seite ist. Sie nehmen uns hinein in ihre Welt und wir können all das Erfahrene in unseren Gedanken-Raum tragen.
Lasst es uns ausprobieren!
Am Gründonnerstag ist es ein großer Saal, der schön ausgelegt und vorbereitet ist. Man kann vielleicht den Angstschweiß darin riechen als Jesus sagt, einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten? Oder doch lieber das frische Brot, die Trauben, mit denen die Tische geschmückt waren, den fruchtigen Wein, mit dem die Kelche gefüllt waren als Jesus sagte: Mich hat herzlich verlangt, dies Passalamm mit euch zu essen, ehe ich leide.
Am Abend kommen wir am Fuße des Ölbergs zusammen. Da kann man den Boden voll dunkler Erde sehen, links und rechts Olivenbäume. Staubig und trocken. Wie die Kehlen der Jünger, die warten mussten, als Jesus sagte, setzt euch hierher, bis ich gebetet habe!
Wir können in unserem Gedanken-Raum vieles sehen und riechen, doch wie mag es geschmeckt haben? Das Brot des Lebens, der Kelch des Heils? Der bittere Kuss, der Jesus verraten hat, der scheinbare Sieg der Hohepriester und Schriftgelehrten, die Jesus täglich hätten ergreifen können und es doch erst im Garten Gethsemane taten?
Und wie mag es sich wohl angefühlt haben, die falschen Worte und Lügen zu hören? Wie mag das Knistern des Feuers an dem sich Petrus wärmte, geklungen haben oder das Krähen des Hahns?
Ich fühle und höre die Stille, mit der Jesus allem entgegentrat, bevor er Ich bin's sprach. Und die Worte des Hauptmanns, der dabeistand, sah, wie Jesus starb und sprach: Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!
In unseren Gedanken-Räumen ist ganz schön viel los. Auf diese Art und Weise betrachten wir die Zeit vor Ostern selten. Diese von mir ausgewählten Bibelverse lesen wir nur selten. Doch es wird interessant, wenn man sich diesen traditionellen Tagen einmal anders zuwendet. Beispielsweise einmal versucht nur zu riechen oder zu schmecken. Das zu sehen, was nicht im Fokus steht.
Lasst uns in diesen Tagen das Brot neu schmecken, die kleine Gemeinschaft am Tisch dankbar annehmen. Die blühenden Gärten neu sehen oder die Stille bewusst in uns aufnehmen.
Diese Tage waren und sind besonders! Doch wir können auch in diesen Tagen in unseren Gedanken den Weg Jesu mitgehen, denn Gefühle wachsen zu jeder Zeit und an jedem Ort.
Ich habe in diesen Tagen ganz sicher einzelne Worte Jesu im Ohr: Setzt euch hierher, ich bin’s, Gottes Sohn! und bin in Gedanken bei Euch, Eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
Heute ist Palmsonntag, der Sonntag, an dem wir immer Konfirmation feiern. Doch wir feiern keine Konfirmation, es gab keine Probe mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden, keine Vorbereitungen für dieses besondere Erlebnis. Keiner ist unterwegs zur Kirche.
Dabei haben wir uns so auf unseren Konfirmationsgottesdienst gefreut. Denn da begegnen sich Menschen, die sich schon lange nicht mehr gesehen haben. Man hört Lieder in einer vollbesetzten Kirche und Viele erfahren in solch einem besonderen Gottesdienst einmal wieder, wie gut Gemeinschaft tut. Erfahren, Erfahrung – in diesem Wort steckt ja förmlich miteinander unterwegs sein, etwas erleben und entdecken.
Es ist kein Zufall, dass sich auch die großen Gestalten der Bibel alle aufgemacht haben und unterwegs viel erlebt haben. Da ist Abraham, der auf Gottes Geheiß hin einfach aufbricht, nur mit einem Rucksack voller Zuversicht und Hoffnung. Und Mose, der sein Volk aus Ägypten herausführt oder Paulus, der ziemlich viele Länder durchstreift, um die gute Nachricht zu den Menschen zu bringen. Sie alle wurden durch das geprägt, was ihnen auf dem Weg begegnete.
Unterwegs passiert viel! Umwege und Entdeckungen, Krisen und Wandlungen, gute und schlechte Erfahrungen. Jetzt denken Viele bestimmt: die verschobene Konfirmation ist eine eher schlechte. Das hätten wir nicht gebraucht. Doch auch dieser Weg – keine Konfirmation an Palmsonntag, verändert uns. Er verwandelt uns.
Es gibt da eine Geschichte von den Jüngern Jesu, die ich Euch heute erzählen möchte: Die begegnen unterwegs deprimiert einem Fremden. Er begleitet sie ein Stück und sie erzählen von unbegreiflichen Vorgängen, von Ängsten und Sorgen. Und sie nötigten den Fremden zum gemeinsamen Essen zu bleiben. Beim Brechen des Brotes öffnen sich dann plötzlich ihre Augen. Sie können die Erlebnisse in einem neuen Licht sehen. Und sie begreifen: wir stehen nicht am Ende, sondern am Anfang eines neuen Weges.
Unterwegs passiert viel. Aktuell passiert viel und ich lade Euch ein, für einen Moment innezuhalten. Zieht in Gedanken Euer schönstes Kleid, Eure schickste Jacke an und folgt mir Richtung Kirche. Seid mit mir unterwegs. Über uns der hohe Himmel, neben uns die vielen Menschen, die sich auch auf den Weg machen und vor der Kirche tummeln. Hört das Stimmengewirr, spürt die Aufregung in der Luft und jetzt, jetzt schaut in die Gesichter der Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben.
Wir feiern Konfirmation! Und wir werden dieses Fest, diesen Tag in einem neuen Licht sehen! Die geschmückte Kirche, die Konfirmandinnen und Konfirmanden, die Menschen, die wir schon lange nicht mehr gesehen haben. Wir werden Gottesdienst feiern, die Lieder neu hören, den Segen Gottes neu spüren!
Wir sind unterwegs! Genau da hin. Vergesst das nicht. Denn dann geht es uns sicher auch wie den Jüngern:
„Vor lauter Freude konnten sie es immer noch nicht fassen und waren außer sich vor Staunen.“ (Lk 24,41)
Bleibt voller Vorfreude auf das Staunen! Eurer Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbaum
Sonntags würde ich in eine unserer Kirchen fahren und Gottesdienst feiern; montags würde ich einkaufen gehen und unsere Tochter zum Klavier bringen; dienstags würde ich in der Schule unterrichten, im Kindergarten spielen und sicher bei irgendeinem Menschen unserer Gemeinde zu Besuch sein; mittwochs wäre ich in einer Teamsitzung oder im Pfarrkonvent zu finden. Ich würde meine Predigt anfangen und bestimmt jemandem zum Geburtstag gratulieren; donnerstags kämen die Konfis, Präpis, Presbyter zusammen; freitags…
Würde ich meine Alltagswege auf einer Landkarte nachzeichnen – die beruflichen wie die privaten, sähe es ganz sicher wie wildes Gekritzel aus. Mal den Berg hoch, mal den Berg runter, rechts und links, vor und zurück.
Wie wäre das bei Euch? Wie sähen Eure Lebenswege aus?
Erst wenn man nicht mehr in den gewohnten Bahnen unterwegs sein kann oder darf, wird einem bewusst, was man alles tut und wo man sich wiederfindet. Es sind Routen der Gewohnheit, Wege der Sicherheit, Pfade des Alltags.
Um einmal andere Schritte in diesen Tagen zu gehen, habe ich unsere Gemeinde als Landkarte ausgedruckt und ein Herz darauf gezeichnet. Da drin – natürlich auch noch Drumherum, leben die Menschen, die mir am Herzen liegen. All diejenigen, die ich ziemlich oft sehe, mit denen ich lache und weine, die ich mit meiner Arbeit berühren möchte und die ich gerade nicht treffen darf.
Jetzt muss ich mich fast schon am Rand dieses Herzes bewegen. Im Wald, wo ich neue Pfade erkunde. Auf Feldwegen, wo ich um neue Ecken biege und keine Menschenseele treffe und meinen Blick in die Ferne schweifen lassen kann. Kein sicheres Ziel vor Augen oder eine unerwartete, aber durchaus beglückende Begegnung auf meiner Route. Oder doch?
Diese Idee mit einem Muster auf einer Landkarte ist nicht neu. Es gibt Menschen, die haben diese Idee sogar schon digital weitergesponnen. Unter dem Motto „figure running“ macht man sich meist joggend auf den Weg. Nur wird nicht einfach irgendeine Strecke gelaufen, sondern eine vorher ausgedachte Figur. Herzen, Strichmännchen, Comichelden. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Aber erst die Draufsicht auf die Laufstrecke macht das ganze sichtbar.
Ich kann demnach also nur ein Herz laufen, wenn ich kaum jemandem in unserer Gemeinde begegne. Ob ich das will? Nein! Da lasse ich doch aktuell lieber meine Gedanken Runden drehen und telefoniere oder schreibe ein Auf und Ab auf meiner Landkarte. Dass meine Wege mit Euch dann wie Gekritzel aussehen, macht mir auch gar nichts aus.
Denn ich habe das Lied von Paul Gerhardt im Ohr:
Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann. (Evangelisches Gesangbuch Lied 361, Strophe 1).
Bleibt behütet auf all euren Wegen! Eure Pfarrerin, Jessica Rust-Bellenbaum
Osterglocken, Narzissen, Narcissus (von dem griechischen Wort narkein, welches „betäuben“ bedeutet). Die habe ich gestern mit meiner Tochter in unsere Blumenkästen gepflanzt.
Sie zeigen mir, dass wir auf Ostern zugehen.
Auf ein Ostern ohne gemeinsame Gottesdienste in unseren Kirchen, ohne Osterfeuer und Osterbrot, bunte Sträuße und freudige Menschen.
Ja, es ist gerade nicht leicht. Vieles hat sich verändert und doch ist Manches gleichgeblieben. Menschen arbeiten, Eltern sorgen sich um ihre Kinder, Familien vermissen ihre Angehörigen.
Wir müssen geduldig sein und jeden Tag neu annehmen.
Das erinnert mich an meine Zeit in England. Da war ich zum ersten Mal vor nun fast 15 Jahren. Damals blühten dort tausende „daffodils“, Osterglocken. An den Wegen und Straßenkreuzungen, in den kleinsten Gärten und größten Parks – überall waren sie zu sehen.
Und ich, mittendrin, suchte einen Neuanfang. Mein Studium damals war ins Stocken geraten, ich war träge geworden, fühlte mich wie betäubt und war nicht mehr sicher, ob ich wirklich Theologie zu Ende studieren sollte, wirklich Pfarrerin einer Gemeinde werden wollte.
In unserer Partnergemeinde in Leeds habe ich damals viel gelernt und Ostern neu erfahren.
Ostern ist das Fest der Hoffnung, des Neuanfangs. Wir Christinnen und Christen feiern das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Und wir glauben, es gibt ein Leben nach dem Tod. Nicht nur nach dem Tod jener Menschen, die ich liebe, auch ein Leben nach dem sozialen Tod. Einen Neuanfang nach beruflichem Scheitern, nach zerbrochenen Hoffnungen, nach Katastrophen um mich herum oder in mir drin. Der Glaube daran verbindet alle Christen, egal wo und egal wann.
Dieses Gefühl tief in mir drin wieder zu spüren, hat mir damals in England geholfen, meine Vorstellungen und Wünsche nicht aufzugeben, nach neuen Wegen zu suchen und, wenn auch mit vorsichtigen und kleinen Schritten, weiterzugehen.
So bewegen mich die Osterglocken, wenn ich sie selbst pflanze oder sehe, noch heute.
Oft und gerade auch in diesen Tagen ist es zum Verzweifeln. Keine Sendung, kein Gespräch mehr ohne Ängste oder Sorgen. Doch dem gegenüber steht nicht nur unser Licht der Hoffnung, sondern auch die Hoffnung von Ostern. Ostern mit der Betrachtung von Jesu Leben, Sterben und seiner Auferstehung zeigt uns, dass es mehr gibt, dass es noch so Vieles gibt nach der Ohnmacht oder dem Scheitern – und eben auch nach dem Tod.
Negatives lähmt! Glaube dagegen kann ermutigen! Ich kann wieder klarer sehen und einen Neuanfang wagen, mit Gott an meiner Seite.
Und „daffodils“, Osterglocken, als Pfarrerin im Pfarrgarten pflanzen, mit meinen Gedanken zu Hoffnung und Veränderung.
Das ist der Weg zur Auferstehung mitten im Leben!
Bleibt glücklich und offen für das Wachsen und Werden!Eure Pfarrerin Jessica Rust-Bellenbau
Ich höre am Morgen die Vögel wieder singen. Zum Mittagessen mit meiner Familie plündere ich die Kühltruhe damit erst einmal diese Lebensmittel aufgebraucht werden. Mein dickes Buch habe ich endlich fertiggelesen.
Aber wisst Ihr was ich in diesen Tagen besonders mag?
Dass ich genauer hinschauen und hinhören kann. Und dass wir als Familie Vieles bewusster wahrnehmen und gemeinsam vor die Tür dürfen. Deshalb ziehen wir auch gerade fast jeden Tag Gummistiefel oder Wanderschuhe an und sind im Garten, auf dem Feld oder im Wald zu finden. Wir haben einen Bach aus Regenwasser entdeckt. Die ersten weißgelben Osterglocken. Eine Schafherde und ganz viele Regenbogen.
Regenbogen? Ja! Denn davon gibt es in diesen Tagen immer mehr an den Türen und Fenstern in unseren Straßen. Habt Ihr sie auch schon entdeckt?
Kein Stimmengewirr ist im Kindergarten zu hören, keine Jubelschreie beim Pausenklingeln der Schule, keine Freunde, die gemeinsam spielen, sind auf den Straßen zu sehen. Die meisten Kinder sind in diesen Tagen zu Hause. Und das kann ganz schön trist und anstrengend sein.
Doch die Kinder folgen einer tollen Idee und malen Regenbogen an die Fenster und Türen. Sie zeigen allen anderen, hier wohnt auch jemand, der gerade zu Hause bleiben muss.
Ich finde es toll, dass wir in diesen Tagen jetzt genau hinschauen ob wir einen weiteren Regenbogen finden. Und darüber reden, dass es vielen Menschen genauso geht wie uns.
Ein Regenbogen, das ist etwas ganz Wertvolles. Das lesen wir schon in der Bibel. Der Regenbogen ist Gottes Zeichen für seine Liebe zu uns Menschen: „Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt, der soll ein Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde.“ (Gen 9,13).
Rot, orange, gelb, grün, blau, lila. Bunte Farben auf der Erde und am Himmel – das ist doch eine herrliche Idee Gottes. Er sagt uns mit diesem phantastischen Zeichen, auch mit Dir habe ich meinen Bund geschlossen, auch für dich bin ich da!
Achtet doch mal darauf und überlegt welche Farbe Ihr am liebsten habt.
Ich mag in diesen Tagen besonders die Farben Gelb und Grün. Gelb ist die Farbe der Ewigkeit. Mit der Kraft unseres Glaubens und durch Jesus haben wir eine Zukunft! Und Grün ist die Farbe des Wachsens uns Werdens. Die anderen Farben sind aber auch ganz schön – also Hauptsache ein Zeichen Gottes und Hauptsache nicht allein!
Gott sorgt für euch! Passt trotzdem gut auf Euch und Eure Lieben auf!
Bunte Grüße von Eurer Pfarrerin, Jessica Rust-Bellenbaum
In den letzten Tagen war neben dem Umsetzen neuer Ideen wie dem Glockengeläut oder dem „Licht der Hoffnung“ und dem Erledigen von organisatorischen Dingen auch einmal wieder Zeit meinen Schreibtisch etwas aufzuräumen. Zwischen abzuheftenden Unterlagen und zu beantwortenden Schreiben, auch jene Dinge wegzuräumen, die ich so ansammle: kleine Zettel mit Sprüchen, Papierfetzten aus Zeitungen, gemalte Bilder der Kinder.
Da lag es dann, das Bild mit einem leckeren Hefezopf. Der war nämlich der Wunsch unserer Tochter. Schon vor Ostern einen Zopf backen, mit guter Butter bestreichen und genießen.
Sofort kamen Erinnerungen hoch. Wie unsere Tochter sich den Nachmittag selbst beschäftigen musste und dieses Bild entstand. Oder wie wir den letzten Zopf noch lauwarm ruckzuck gefuttert hatten. Und wie ich selbst als Kind mit einer kleinen Schürze in der Küche meiner Oma am Tisch saß. Milch und Mehl, Zucker, Salz und Eier standen bereit und natürlich die frische Hefe, die komisch roch und zerbröselt werden musste. Und dann rühren, kneten. Schön!
Neben dem bunten Bild des Hefezopfs noch eine dieser kleinen Karten auf meinem Schreibtisch. Gelb wie die Sonne auf der Vorderseite und auf der Rückseite zu lesen: „Geduld aber vertieft und festigt unseren Glauben, und das wiederum gibt uns Hoffnung.“ (Röm 5,4).
Solche Worte in unserer aktuellen Lage? Ich musste den Vers des Apostel Paulus mehrmals lesen und dachte bei mir: Heute gilt doch schon nicht mehr was gestern gesagt wurde, keiner weiß was Morgen geschieht. Ängste und Sorgen überrollen uns geradezu. Glaube, Hoffnung und Zuversicht – das sind nur schwer zu bewahrende Dinge.
Doch es passt!
Bestimmt kennen viele den Moment, wenn unter der Spüle ein frisches Handtuch hervorgeholt und über die Schüssel mit dem Hefeteig gelegt wird und es heißt „gehen lassen!“, „ruhen!“.
Als Kind war das die Geduldsprobe und noch heute fasziniert mich, dass der Teig einfach nur dasteht, scheinbar nichts passiert und es trotzdem das Wichtigste von allem ist.
Gehen lassen, ruhen. Das trifft einige von uns in diesen Tagen eher unfreiwillig und das fällt manchen ziemlich schwer. Es ist notwendig und stellt uns doch auf eine harte Probe. Was ist wirklich wichtig? Geduldig sein? Hoffnungsvoll sein?
Ich wünsche mir, dass wir annehmen, dass dieses Ruhen all unsere Aktivitäten in und außerhalb unserer Kirchengemeinde das Wichtigste ist. Es kann unseren Glauben festigen, denn so geben wir einmal wieder mehr aufeinander Acht, teilen miteinander und hören einander zu. Der eine arbeitet von zu Hause, die andere räumt auf oder schreibt mal wieder einen Brief und ich…
Ich verfasse diese positiven Zeilen für Euch und dann backe ich mit unserer Tochter einen Hefezopf und übe mich mit ihr in Geduld.
Vielleicht habt Ihr jetzt den Geruch des frischen Hefezopfs in der Nase oder Lust auch einen zu backen? Das wäre schön, denn dann trägt sich die Hoffnung von Ostern schon jetzt weiter.
Herzlichst, Eure PfarrerinJessica Rust-Bellenbaum